■ Bonn apart
: Keine Königin

Den neuen Bundespräsidenten kennen wir noch nicht, doch auch beim alten, wohlvertrauten R.v.W. sind noch letzte Fragen offen. Bloß ein Mann des richtigen Wortes zur rechten Zeit, einer fürs Feuilleton? Peter Glotz (SPD) bescheinigte dem scheidenden Amtsinhaber, er habe das „Zeug zum Machtpolitiker“ und Friedbert Pflüger (CDU) stimmte zu: von Weizsäcker wäre auch ein guter Bundeskanzler geworden. Jürgen Busche (Süddeutsche) hingegen wunderte sich: Wenn der Titel „Machtpolitiker“ hier als ehrenhaft gelte, dann sei das wohl einer der größeren Erfolge Helmut Kohls. Zum Machtpolitiker (gegen den Busche nichts hat) müsse man Weizsäcker nicht ernennen, um dessen herausragender Amtsführung gerecht zu werden.

Knapp eine Woche vor der Bundesversammlung hatten die Frankfurter Hefte ihre Autoren zu einer Podiumsrunde eingeladen, die sich in der April-Ausgabe den bisherigen Präsidenten und den beiden aussichtsreichen Kandidaten für die nächste Amtsperiode gewidmet hatten. Heuss, Lübke, Heinemann, Scheel, Carstens, von Weizsäcker – das Heft schreibt eine kleine (Sitten)geschichte der Republik. Die abendliche Runde in der hessischen Landesvertretung illustrierte die Zeiterscheinug, daß feste Fronten selten geworden sind.

Soll der Bundespräsident direkt gewählt werden? Dissenz bei Glotz/Pflüger. Doch hier unterstützte Hubert Kleinert, der in Weizsäcker den Machtmenschen nicht sehen mochte, Plebiszit-Anhänger Glotz. Warum eigentlich nicht? Wollte der Grüne wissen. Dazu Busche, wahrhaft konservativ: Was gut ist, soll man nicht ohne Not ändern. Was wiederum Glotz so anstachelte, daß am Ende der Grüne den Sozialdemokraten dämpfte: überfrachten solle man die Sache besser nicht. Die niederländische Bonn-Korrespondentin Hetty Hessels staunte über Volkstribun Glotz: „Wenn ich Sie so reden höre, bin ich ja froh, daß unser Staatsoberhaupt die Königin ist“. Tissy Bruns