Ein bekennender Nazi

■ Kieler Prozeß gegen Skinhead wegen versuchter Tötung

Kiel (taz) – „In der Hitler-Zeit sind Nazis mit dreisten Lügen vor Gericht durchgekommen. Diese Zeiten sind vorbei“, hoffte erbost ein Nebenklage-Anwalt. Zuvor hatte der zwanzigjährige Angeklagte Peter Borchert, ein Skinhead, der sich gestern im Gerichtssaal zum Nationalsozialismus bekannte, kaltblütig behauptet, ein Kieler Busfahrer und ein Gast einer Hochzeitsgesellschaft hätten ihre Verletzungen selbst verschuldet. Der Zwanzigjährige steht gemeinsam mit zwei anderen Kieler Skinheads wegen versuchter Tötung und Volksverhetzung vor dem Kieler Landgericht. Im Februar soll Borchert, der gemeinsam mit einem der anderen beiden Angeklagten einen sudanesischen Studenten in einem Bus belästigt hatte, den Busfahrer, der dem Studenten zur Hilfe kam, mit einem Messer verletzt haben. Wenige Tage später sollen alle drei Skinheads, mit Gaspistolen bewaffnet, eine Hochzeitsgesellschaft überfallen, drei Gästen ins Gesicht geschossen und Borchert einen Gast mit einem Messer schwer verletzt haben.

Während die anderen beiden Angeklagten am dritten Verhandlungstag beteuern, daß sie mit Skins und rechten politischen Einstellungen nichts mehr zu tun haben wollen, besteht Borchert darauf, ausführlich seine politische Gesinnung zu schildern. Skinhead sei er aber nicht mehr, weil ihm diese nicht genug politisch unterwandert seien, erklärt der Zwanzigjährige, der im Gerichtssaal mit kurzgeschorenen Haaren und schwarzem Hemd auftritt. „Meine Überzeugung steht auf der Grundlage des Nationalsozialismus“, sagt er mit Nachdruck, auf seine Händen ist „Sieg Heil“ tätowiert.

Seine politische Einstellung, zu der er immer offen gestanden habe, habe ihm zu Hause viele Schwierigkeiten bereitet, sagt Borchert. Seine Adoptiveltern hätten alles versucht, um ihn davon abzubringen. „Mein Vater, der Diplom- Psychologe, hat sogar behauptet, mein leiblicher Vater sei ein Türke“, empört sich der 20jährige und erläutert mit einem Grinsen, diese Lüge habe sein Vater aber zurückgenommen. Der Vorsitzende Richter zitiert aus einem früheren Urteil: „Seine Herkunftseltern sollen ein Türke und eine minderbemittelte Frau gewesen sein.“ 1990 war Borchert wegen gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Die Zeit hat er aus eigenem Wunsch ganz hinter Gittern verbracht. „Mir paßten die Auflagen nicht, die mir eine frühere Entlassung ermöglicht hätten.“ Da hätte er nämlich eine Ausbildung beginnen, sich einer psychiatrischen Behandlung unterziehen und in eine WG ziehen müssen. Der Prozeß wird fortgesetzt. Kersten Kampe