Reinemachen nach Methode Kanther

Koalition verabschiedet Verbrechensbekämpfungsgesetz: Längere Haft, kürzere Verfahren, Zusammenarbeit von Geheimdienst und Polizei/ „Auschwitzlüge“ wird strafbar  ■ Aus Bonn Hans Monath

Großes Zittern bei der Moskauer Mafia, polnischen Autodieben und Schlepperorganisationen östlich der deutschen Grenzen: Der Bundestag verabschiedete gestern mit den Stimmen der Koalition das sogenannte Verbrechensbekämpfungsgesetz.

Das 18 Artikel umfassende Maßnahmenbündel in Gesetzesform soll laut Innenminister Manfred Kanther (CDU) den sich ständig wandelnden Formen moderner Kriminalität Paroli bieten und auch rechtsextremistische Täter abschrecken.

Sprecher der maßgeblichen deutschen Anwaltsverbände hatten dagegen vor der Verabschiedung des Gesetzes vor einer „Brutalisierung des Strafrechts“ und einem Raubbau an Beschuldigtenrechten gewarnt. Einig waren sich die Bundestagsparteien gestern einzig in der positiven Bewertung der neuen Regelung gegen die „Auschwitzlüge“. Zu deren Aufnahme in das Gesetzespaket hatte sich die Regierungskoalition erst Ende vergangener Woche unter dem Eindruck der Ausländerjagd von Magdeburg und der Debatte um das Urteil des Bundesgerichtshofs durchringen können.

Die Unionsfraktion fand sich gestern in der unangenehmen Lage, von der SPD-Opposition mit Vorschlägen zum Abbau von Bürgerrechten in zwei Punkten sogar noch übertroffen zu werden. Der – gescheiterte – SPD-Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ermöglicht die Sicherstellung kriminell erworbenen Vermögens und erlaubt den „Großen Lauschangriff“. Die Wanzenattacke im Wohnzimmer hätten auch die Unions-Politiker gerne genehmigt. Allein die FDP besann sich in diesem einen Punkt ihrer liberalen Prinzipien und verweigerte die Zustimmung.

Auch ohne „Großen Lauschangriff“ enthält der Entwurf massive Eingriffe:

– Das Strafverfahren kann gestrafft werden. Der zeitliche Abstand von Tat und Prozeß soll verkürzt werden, indem formelle Anforderungen (u.a. bei Beweisanträgen) an das Verfahren erleichtert werden.

– Tatverdächtige können im Falle eines Schnellverfahrens sieben Tage in Haft gehalten werden (Hauptverhandlungshaft“), der Haftgrund „Wiederholungsgefahr“ wird ausgeweitet.

– Ausländische Straftäter, die wegen Drogenhandels zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt sind, werden abgeschoben.

– Die bisher nur für den Bereich des Terrorismus geltende Kronzeugenregelung ist nun auch im Bereich der Organisierten Kriminalität zulässig.

– Der Bundesnachrichtendienst (BND) kann Erkenntnisse über einige Verbrechensformen (u.a. Drogen, Waffen), die er beim Abhören des internationalen Telefonverkehrs gewonnen hat, an die Polizei weiterleiten.

– Bei Körperverletzung wird die Höchststrafe von drei auf fünf Jahre angehoben. In besonders schweren Fällen, wie bei schwerer Brandstiftung, ist eine Höchststrafe von zehn Jahren möglich.

– Die Verwendung „nazi-ähnlicher“ Symbole wird unter Strafe gestellt.

– Die Strafvorschriften gegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß werden erweitert.

– Schlepperbanden werden durch Änderung des Ausländer- und des Asylverfahrensgesetzes mit einer Höchststrafe von zehn Jahren belegt, wenn sie gewerbsmäßig arbeiten.

Erstmals geregelt wird der Täter-Opfer-Ausgleich. Daß die liebe Rechtskultur aber nun endlich ihre Ruh' hat, ist unwahrscheinlich. Innenminister Manfred Kanther kündigte gestern an, die Regelungen müßten auch in Zukunft angepaßt werden: „Diesem Gesetz werden weitere folgen.“

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