piwik no script img

Ein-Frau-Opposition

■ Mit Karin Tuczek trat ihre ganze Familie aus der SPD aus / Gründen Lenz-Kreise eine neue Wählerinitiative zwischen SPD und CDU?

„Ich werde auf keinen Fall kampflos das Feld aufgeben“, sagt Karin Tuczek, Bürgerschaftsabgeordnete aus Bremerhaven. Am vergangenen Donnerstag hat sie ihren Austritt aus der SPD erklärt. „Zurückziehen? Das hätte ich auch machen können“, sagt sie voller Kraft. „Nein.“

„Diese Partei ist nicht mehr die Partei, für die ich nahezu 25 Jahre aus tiefer, innerer Überzeugung gearbeitet habe“, hatte Tuczek nach ihrem SPD-Austritt erklärt. Die Politik in der SPD laufe auf Rot-grün hinaus – das will sie nicht mitmachen. Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarktpolitik, „wo wird denn hier noch Politik gemacht?“ Bremerhaven lebt stark vom Autohandel. Wie kann man, zum Beispiel, aus dieser Lage heraus „das Auto so verteufeln“, wie das in der Bremerhavener SPD inzwischen mehr-heitsfähig ist?

Daß die Bremerhavener SPD nicht mehr die der vergangenen 25 Jahre ist, weiß auch Tuczek seit 1991: damals verlor der Zirkel um Werner Lenz die innerparteiliche Mehrheit. Karin Tuczek, lt. Bürgerschaftshandbuch „Chefsekretärin“, hatte es 1991 noch einmal geschafft, in ihrem Ortsverein als Parteidelegierte gewählt zu werden. „Vor zwei Jahren habe ich schon nicht mehr mitmachen wollen“, erklärt sie heute. Zwei Jahre lang hatte sie dann gekämpft, aber ohne Erfolg.

Die Machtverhältnisse in der Partei haben sich weiter verschoben, Werner Lenz selbst als Kopf des „rechten“ Flügels hat sich ganz aus der Parteipolitik zurückgezogen – und seine Anhänger, die zwei Jahrzehnte jünger und noch auf Funktionen angewiesen sind, buchstäblich allein gelassen. Vielleicht aber auch nicht, denn außerhalb der SPD mobilisierte der „Helmut-Schmidt-Kreis“ nicht ohne Erfolg. Innerhalb der SPD kämpfte Karin Tuczek offensiv für die Positionen des Werner Lenz, zum Schluß machte sie auch in ihrem Ortsverein mit Klaus Rosche und Lothar Koring einen eigenen Kreis auf.

Ihre Chancen, noch einmal für die Bürgerschaft nominiert zu werden, hatte sie sich damit weitgehend verbaut. Die Familie Tuczek muß das gespürt haben – jedenfalls traten im vergangenen November einige Familienmitglieder in die SPD ein. „Ich hatte meine Familie so weit, daß sie sagte: Wir machen das mit. Wir unterstützen Dich“, erklärt die Abgeordnete den Zulauf für den Ortsverein. Mit der ganzen Familie kam sie dann zur Jahreshauptversammlung, wo die SPD-Mitglieder ihre Parteitagsdelegierten für die nächsten zwei Jahre wählen. Da werden innerparteilich die Bataillone vorgeführt und die Stimmen gezählt. Karin Tuczek trat an, kämpfte – und fiel durch. Ein Blick auf die anderen Delegierten zeigte ihr, daß sie keine Chance hat, im Herbst wieder auf die Bürgerschafts-Wahlliste für 1995 zu kommen. Tuczek: „Im Februar wollte ich eigentlich zurücktreten.“ Sie ließ sich dazu beredet, noch etwas zu warten, aber im Grunde stand ihr Entschluß damals fest. Auch die Familienmitglieder traten jetzt übrigens wieder aus.

Der Bürgerschaftssitz macht der heute 50jährigen viel aus – bei der Fischereihafengesellschaft, wo sie „untergebracht“ wurde, hat sie „eine Lohnsteuerkarte“, wie man in Bremerhaven sagt. Auszuschließen ist also, daß sie einfach wieder in ihren Beruf zurückgehen will. Jahrelang war Tuczek die treue Anhängerin von Werner Lenz und bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Bremerhaven auch seine „Chefsekretärin“. Auch wenn das persönliche Verhältnis getrübt ist – wie man mit Werner Lenz in Bremerhaven umgegangen ist, führt sie auch zwei Jahre danach noch als Argument für den Austritt an.

Wie geht es jetzt weiter mit Karin Tuczek und mit Bremerhaven? „Ich weiß es noch nicht“, sagt sie. Weiterhin will sie für Mehrheiten kämpfen – wohl aber nicht mehr innerhalb der Partei. Eine Wählerinitiative für 1995? „Das könnte sein.“ Und eine andere Partei? – „Das könnte auch sein“.

Viele hätten ihr zu ihrem Austritt gratuliert, auch SPD-Mitglieder. Das bestärkt sie. „Ich will nicht aufhören, meine Position mehrheitsfähig zu machen.“ K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen