Mafia küßt man nicht

■ Kommt Andreotti vor Gericht?

Rom (taz) – Nach über einem Jahr Ermittlungen und der Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität hat die Staatsanwaltschaft Palermo Anklage gegen Italiens siebenmaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti erhoben. Danach soll der Dauer-Regierer „Mitglied einer mafiosen Vereinigung“ gewesen sein. Innerhalb von vier Wochen muß nun der Vorermittlungsrichter über die Eröffnung des Verfahrens entscheiden. Andreotti soll sich nach mehreren Aussteiger-Aussagen mit verschiedenen Mafiabossen getroffen haben, so etwa mit Oberboß Salvatore Riina. Nach der Aussage seines zum Kronzeugen gewandelten ehemaligen Chauffeurs muß das Verhältnis sehr herzlich gewesen sein, jedenfalls sollen sich die beiden bei der Begrüßung gar auf die Wange geküßt haben.

Andreotti verweist derlei ins Reich der Phantasie und nimmt Bezug auf die „vielen Gesetze, die ich als Regierungschef gegen die Mafia durchgedrückt habe“. Allerdings behaupten seinerzeitige Kabinettsmitglieder, daß Andreotti eher gebremst habe. Auch ein zweiter Verteidigungsstrang hat unversehens einen schlimmen Riß bekommen: Er sei doch seit zwei Jahrzehnten rund um die Uhr von Polizeieskorten bewacht worden, hatte Andreotti behauptet. Nun aber hat eine Überprüfung der Fahrten Andreottis ergeben, daß just zu der Zeit, als der Politiker nach der Zeugenaussage Riina auf Sizilien getroffen haben soll, eine Lücke von gut fünf Stunden klafft – da hatte Andreotti seiner Eskorte „frei“ gegeben.

Sollte sich Andreotti wider Erwarten doch noch herauswinden, sind seine Probleme aber noch keineswegs gelöst: Als nächstes muß das Schwurgericht Rom über die Anklageerhebung wegen des Mordes an einem Enthüllungsjournalisten entscheiden – da soll Andreotti gar der der Anstifter gewesen sein. rai