■ Mit Umweltpolitik auf du und du
: Wenn Minister tagen

Bremen (taz) – Umweltschutz muß kein Klotz am Bein sein – auch nicht in wirtschaftlich und finanziell schwierigen Zeiten. Im Gegenteil: Er „stärkt die Attraktivität des Standortes Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“. Dies ist die Kernposition, auf die sich die Umweltminister aller Länder, vom Bayern Alfons Goppel hin zum Grünen Ralf Fücks aus Bremen, verständigen können. In der vergangenen Woche machte die Runde der 16 vereidigten Umweltschützer eine Tour auf der Elbe, und da der sächsische Umweltminister Arnold Vaatz den Ehrgeiz hatte, ein Papier auf den Namen einer schönen sächsischen Kleinstadt zu taufen, brachten die Minister die „Radebeuler Erklärung“ zustande. Der Zustand der natürlichen Lebensgrundlagen spiele eine „entscheidende Rolle für Investition und Marketing“, steht da, den unmittelbaren Kosten für Umweltschutz müßten die indirekten Ersparnisse und die durch Exportchancen geschaffenen Arbeitsplätze entgegengestellt werden. Ökologische Marktwirtschaft ist parteienübergreifender Konsens, Wachstum soll „umweltverträglich“ sein. Diese Formulierungen entsprachen zwar nicht ganz dem bayerischen Entwurf, aber die vereidigten Umweltschützer hätten sich einen schönen Tag auf der Elbe machen können, wenn – ja, wenn da nicht das leidige Thema mit den Konkretionen wäre. Die Mineralölsteuer müsse „stufenweise erhöht“, Primärenergie „möglichst auf EG-Ebene“ besteuert werden. Ökologisch bedenkliche Subventionen „insbesondre im Verkehrsbereich“ sollen abgebaut, erneuerbare Energien gefördert und umweltverträgliche Verkehrsnetze ausgebaut werden, so steht es in der Radebeuler Erklärung. Eine halbe Stunde vor dem Ende der Konferenz bekamen da einige kalte Füße. Nein, sagte der Bayer Goppel, das mit der Mineralölsteuer könne er nicht mitmachen. Ja, sagte Klaus Matthiesen, Nordrhein- Westfalen im Grunde auch nicht. Und die arme Claudia Martini durfte ihrem SPD-Chef Rudolf Scharping nicht in den Arbeitnehmer-Rücken fallen. Der Riß verlief mitten durch die SPD: Hier die Große Koalition, da die rot-grüne. Der Baden- Württemberger Harald B. Schäfer war eher für die schärfere Formulierung, und Umweltminister Matthias Platzek aus Brandenburg stellte der versammelten Runde die böse Frage, wer denn sicher sei, daß die Presse den schriftlich fixierten Beschluß nicht längst in den Händen halte. Das wollte Gastgeber Vaatz auf jeden Fall vermeiden: Wie sähe das aus, wenn aus seiner Umweltministerkonferenz die Schlagzeile „Umweltminister fallen um“ herauskäme! Also fand man am Ende dann doch noch einen Kompromiß. In das Beschlußpapier wurde ein netter Zusatz aufgenommen: „Über Tempo und Ausgestaltung der Einführung einer Primärenergiesteuer/-abgabe, möglichst auf EG-Ebene, sowie die stufenweise Erhöhung der Mineralölsteuer bestehen unterschiedliche Auffassungen.“ Womit die Radebeuler Erklärung, die „eine Offensive in der Umweltpolitik für erforderlich“ hält, schließlich gerettet war. Klaus Wolschner