Den Männern war's zu hart

■ „Frauenschicksale und schicke Frauen“ oder warum die „Silberlocken“ Altentheater machen / Ein Gespräch

Sie sind elf Frauen zwischen 55 und 85, haben vor knapp fünf Jahren mit kleinen Adventssonntagsvorstellungen angefangen und haben inzwischen mit ihren Theaterrevuen schon für einige Furore gesorgt: die „Silberlocken“. Sie spielten allüberall auf Bremens Bühnen und vertraten kürzlich ihre Stadt bei „Bonn meets Bremen“. Die taz im Gespräch mit drei „Silberlocken“.

Ihr letztes Stück heißt „Frauenschicksale und schicke Frauen, eine Nachkriegsrevue“. Spielen Sie sich da selbst?

Selma Hartwig: Wir zeigen das, woran wir uns erinnern konnten, was uns sowohl persönlich als auch politisch wichtig war. Das erste Bild ist eine Flucht im Waggon. Das war ein ganz persönliches Eigenschicksal, von einer, die das als 16jährige erlebt hat. Da haben wir eine Szene draus gemacht, die ganz furchtbar an die Nieren geht.

Marga Sürstedt: Ich war da die ersten paar Mal total in Tränen aufgelöst. Ich hab ganz ähnliches erlebt. Für mich war das eine ganz furchtbare Erinnerung.

Das Spielen hilft Ihnen dann? Emmi Paukenhaider: Also ich mußte auch flüchten, aber anders. Ich hab so Schlimmes erlebt, ich mußte das ja auf irgendeine Art bewältigen.

Selma Hartwig: Aber so düster beibt es ja nicht. Die Revue hat schon auch ihre Lacher. Wir haben ja auch das Thema „Wie waren wir doch unaufgeklärt“. Diese Sprüche damals: Komm mir ja so wieder, wie du weggegangen bist. Warum, hat uns niemand gesagt. Und da gehen wir alten Weibsen dann im Unterrock auf die Bühne und dann tun wir da so, „Schamballett“ nennen wir das. Und der Clou ist ja der Seidenstrumpf, der immer sitzt. Du mußt dein Bein braun anstreichen und mit dem Stift eine Naht ziehen.

„Die Trümmerfrauen“ werden Sie oft genannt. Würden Sie sich selbst auch so nennen?

Marga Sürstedt: Also ich bin keine Trümmerfrau gewesen, weil ich Ende 44 aus Bremen raus bin.

Emmi Paukenhaider: Ich bin auch keine.

Selma Hartwig: So eine richtige Trümmerfrau haben wir in unserer Gruppe keine.

Marga Sürstedt: Aber wir haben ja ne ganze Menge Klassenkameradinnen, die uns beim Klassentreffen nachher davon erzählt haben. Das ist schon Realität, was wir da zeigen.

„Schicke Frauen“ ist ja nicht Ihre erste Revue. Geht's auch in den anderen um Ihr Leben?

Selma Hartwig: In der Revue davor, „Tempo 60“, die ist eigentlich ganz lustig, da geht's um Liebe und Sexualität im Alter.

Emmi Paukenhaider: Eine ältere Frau und ein jüngerer Mann. Was ganz Unmögliches.

Das finden Sie unmöglich?

Marga Sürstedt: Nein, wir nicht, aber fragen Sie mal im Freundeskreis. Mein lieber Mann!

Selma Hartwig: Leider hat es von uns noch keine erlebt bis heute. Das haben wir dann halt auf humorvolle Art gespielt.

Marga Sürstedt: Das konnten wir ja schon mangels Männern gar nicht anders bringen.

Selma Hartwig: Nee, da hatten wir ja noch 'nen Mann. Das ist ja der Witz. Christian war das. Aber als wir dem dann erzählten, was wir so vorhaben, da wurde er dann einfach krank.

Jetzt sind Sie ausschließlich Frauen.

Selma Hartwig: Ja, den Männern war das einfach zu hart. Bei „Tempo 60“, da klopfte mir in einer Szene unser einziger Mann so auf den Hintern. Dann traf ich zufällig mal seine Frau, und die meinte entrüstet: „Das, was ihr da spielt, darüber reden wir nicht mal zu Hause.“

Vielleicht macht gerade das die „Silberlocken“ so erfolgreich.

Selma Hartwig: Ja, wir haben ja unsere Promotionfrau Rita, wir kommen ganz schön rum. Und wir waren auch schon bei Schmidt in der Mitternachtsshow gewesen. Erst haben wir da was Solideres angeboten. Aber dann wollten die unsere Lovestory. Da hatten wir noch unsere Gerda, sie ist leider jetzt gestorben. Ne ganz zarte, die trat dann da im Lederdress auf. „Widerlich und schamlos“, bekamen wir da zu hören.

Trifft Sie das?

Marga Sürstedt: Nee, aber wir leben ja auch vom Applaus, so ist das nicht. Unser erster Auftritt bei der Bremer Heimstiftung, das war schon schlimm. Alles verwahrte alte Leute im Publikum, also entschuldigen Sie den Ausdruck. Bis da mal 'ne Reaktion kam!

Emmi Paukenhaider: Die haben einen Gesichtsaudruck, der ist schon tot.

Selma Hartwig: Also, ich bin ja alt, ich bin 68...

Marga Sürstedt: Da biste doch nicht alt.

Selma Hartwig:... also mir wär's lieber, wenn die alten Leute selbständiger bleiben würden.

Gibt's denn Möglichkeiten dazu in Bremen?

Marga Sürstedt: Ich bin zum Beispiel seit meiner Kindheit in einem Sportverein. Da kann ich natürlich heute noch Gymnastik machen. Dann hab ich noch meinen Stammtisch. Es gibt schon was.

Nur die ersten Bremer Altentheatertage können wegen Geldmangels nicht stattfinden.

Marga Sürstedt: Ja, wir müssen befürchten, daß überhaupt das Altentheater als nächstes verschwindet. Jetzt bei der Demo auf dem Markt war ja wieder deutlich zu sehen, daß die Alten hier einfach eine Minderheitengruppe sind.

Fragen: Silvia Plahl