Fast die Hälfte nimmt der Staat

■ Arbeiterkammer beklagt wachsende Arbeitnehmer-Belastung

„Die Abgabenbelastung eines Bremer Arbeitnehmerhaushaltes wird 1995 ihren historischen Höchststand von 48,7 Prozent erreichen.“ Das teilte gestern Hans Jürgen Kröger von der Bremer Arbeiterkammer mit. Nach Krögers Angaben werden ArbeitnemerInnen von jeder verdienten Mark knapp 50 Pfennige an Land, Bund und Gemeinde abgeben müssen, gleichzeitig wird die Lohnsteigerung voraussichtlicht die niedrigste Quote seit Bestehen der Bundesrepublik haben.

1992 waren es noch 38,2 Pfennige, die der Staat einkassiert hat. Diese rasante Entwicklung stelle für die ArbeitnehmerInnen einen Belastungschock dar, so Kröger weiter, und werde nicht nur negative Auswirkungen auf die Konjunktur haben, viele ArbeitnehmerInnenhaushalte würden dazu veranlaßt „den Gürtel enger zu schnallen oder sich zu verschulden“.

Im nächsten Jahr werden den BremerInnen Erhöhungen in Lohnsteuer und Sozialabgaben, zum Beispiel durch die Wiedereinführung des Solidaritätszuschlages auf die Lohnsteuer, ins Haus stehen. Aber auch im privaten Bereich kassiert der Staat tüchtig mit. Nicht nur die Mehrwertsteuer ist im Zuge der europäischen Harmonisierung erhöht worden, auch Abfall-, Rundfunk- Post- und Verwaltungsbebühren sind in den letzten Jahren stetig gestiegen.

Die Arbeiterkammer Bremen hat zu diesem Thema eine Untersuchung veröffentlicht unter dem Titel: „Steuern und Abgaben – wie der Staat beim Arbeitnehmer abräumt“. Damit will die Arbeiterkammer die aktuelle Diskussion über Sozialleistungen und Abgaben in eine realistische Schiene lenken. Auch Alternativen gegen die wachsenden Abgabenbelastungen hat Kröger errechnet. So sollen zum Beispiel nach den Willen der Arbeiterkammer der Verzicht des Umzugs der Bundesregierung nach Berlin und die Senkung der Rüstungsausgaben zur Diskussion gestellt werden. Außerdem sieht Kröger in der Befreiung der Sozialversicherung von versicherungsfremden Lasten und in der scharfen Anwendung geltender Steuergesetze auf Selbständige und Betriebe zusätzliche Möglichkeiten für Mehreinnahmen.

Kritik übte Kröger an der Bundesregierung, die „getreu dem Leitmotiv ,Leistung muß sich lohnen' Unternehmer und Besserverdienende entlastet und dem ,kleinen Mann' immer tiefer in die Lohntüte greift.“ Während jeder Arbeiter ständig unter der Kontrolle des Finanzamtes stehe, würden Kleinbetriebe im Schnitt alle 35 Jahren geprüft. Dadurch gingen dem Staat jährlich fünf bis sechs Milliarden Mark durch die Lappen. lagro