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Viele Langfinger bei Dafinagate

Eine serbische Geschichte über Kriegswirtschaft und Bürgerbeschiß / Volksbank ermächtigte Vorbestrafte zur Eröffnung einer Privatbank  ■ Aus Belgrad Karen Thürnau

Serbien wird von einem Finanzskandal erschüttert, für den die Regierung und die jugoslawische Bundesbank hauptverantwortlich sind. Nur sehr zögerlich geht die Aufklärung vonstatten – zu viele politische Größen sind darin verstrickt. Die betrogenen Bürger aber gucken in die Röhre: eine Entschädigung ist vorerst nicht in Sicht.

Die Affäre „Dafinagate“ begann im Herbst 1991, als die jugoslawische Volksbank der wegen Scheckbetrugs vorbestraften Finanzangestellten Dafina Milanovic die Vollmacht erteilt, eine Privatbank zu eröffnen und Bankgeschäfte mit Devisenguthaben abzuwickeln – bis dato ein Privileg der staatlichen Banken. Milanovic erfüllte nur formal die gesetzlichen Vorschriften für die Erteilung dieser Genehmigung; das vorgeschriebene Mindestkapital von zweieinhalb Millionen Mark etwa konnte sie erst Monate später nachweisen – als die Inflation diese Summe längst in ein besseres Taschengeld verwandelt hatte.

Die Dafimentbank versprach absurd hohe Sparzinsen von 10 bis 18 Prozent monatlich, die eine Zeitlang sogar ausgezahlt wurden. In einer Zeit, als die Inflation bereits die Gehälter auffraß, schwand das anfängliche Mißtrauen schnell; Tausende verkauften ihre Habe und trugen Bares zu der Privatbank in der Hoffnung, von den Zinsen besser als von ihrer Hände Arbeit leben zu können.

Ein paar Monate ging es gut – bis die Dafimentbank am 1. Mai 1993 plötzlich ihre Türen schloß. Die geschockten Sparer sahen sich betrogen; monatelang prägten Schlangen vor den Bankfilialen das Stadtbild. Doch während kein gewöhnlicher Sterblicher mehr an sein Geld herankam, hoben viele hohe Tiere aus Politik und Wirtschaft durch die Hintertür ihre Einlagen samt Zinsen ab.

Im April veröffentlichte die Zeitschrift Duga eine unvollständige Liste derjenigen, die ihr Geld rechtzeitig retten konnten; darunter klingende Namen der serbischen Polit- und Wirtschaftselite. So finden sich Außenminister Jovanovic, Religionsminister Dragojlovic, Ministerpräsident Kontic, Krajina-Ministerpräsident Mikelic, Abgeordnete der Sozialistischen und der Radikalen Partei, der Freischärlerführer Arkan und die Frau von Oppositionsführer Vuk Draskovic auf der Liste wieder.

Doch was zunächst als sensationelle Enthüllung erschien, rückt die eigentliche Aufklärung nur noch in weitere Ferne und macht den Skandal zu einem Instrument in den Händen der Regierung, mit dem potentielle politische Störenfriede in den eigenen und den gegnerischen Reihen kompromittiert werden können. Die vollständige Liste liegt nun offenbar beim Staatssicherheitsdienst, der sie bisher aber nur sehr selektiv veröffentlicht hat, indem er einzelne Daten einer Geschädigteninitiative zuspielt.

Ohnehin lenkt die Diskussion um die nach Bankenschließung abgezogenen Gelder von der eigentlichen Frage ab: Wie ist es möglich, daß die jugoslawische Volksbank eine vorbestrafte Finanzangestellte dazu ermächtigte, eine private Devisenbank zu eröffnen, deren absolut unseriöses Geschäftsgebaren die Katastrophe zu einer Frage der Zeit werden ließ? Wie ist es möglich, daß Politiker aus Regierung und Opposition bei Milanovic ein- und ausgingen und sie zu einem Mitglied der guten Gesellschaft machten?

Die Medien porträtierten Dafina Milanovic als Wohltäterin des Volkes, die im „nationalen Interesse“ Serbiens handelte. Sie hatte stets Bargeld und war nicht kleinlich, wenn es um die serbische Sache ging: Die Freischärlerführer Kapetan Dragan und Zeljko Raznjatovic Arkan, der damalige Krajina-Präsident Goran Hadzic, der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić und andere Berufspatrioten nahmen ihre Spenden an – Bares, Sprit, Armeeausrüstungen.

Böse Zungen schlußfolgern, daß die Affäre „Dafinagate“ nur sekundär ein Beispiel für die kriminelle Energie einer Einzelperson ist. Sie sehen die Dafimentbank eher als ein Instrument unter vielen, mit dem in einer Zeit größter staatlicher Finanznot die privaten Devisenreserven der Bürger aktiviert wurden. Denn auch die Deviseneinlagen, die die Bürger bei den seriösen Geschäftsbanken angelegt hatten, scheinen vorerst verloren – der Staat hat sie einfach ausgegeben; ihre Rückzahlung ist eines der wichtigsten Themen in der serbischen Innenpolitik.

Die Aufklärung des Falles kommt nur langsam voran. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß, der endlich eingerichtet wurde, hat keine ausreichenden Vollmachten, um Milanovic zu verwertbaren Aussagen zu zwingen. Die alten Gesetze hinken der neuen marktwirtschaftlichen Realität hinterher – so sind im Strafrecht Betrugsdelikte durch Privatbanken gar nicht vorgesehen.

Offiziell ist die Dafimentbank zwar pleite, an einem Konkursverfahren aber haben viele gar kein Interesse. Dann nämlich müßten alle Beträge, die Milanovic im letzten Jahr vor Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit ausgezahlt hatte, zurückgegeben werden. Dann könnten offenbar nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Einzelheiten über Milanovics Geschäfte und ihre Geschäftspartner bekannt werden. Und dann müßte der Staat als Bürge für ihre Schulden einstehen – was die begrenzten Möglichkeiten des Bundeshaushaltes entschieden übersteigt.

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