Flüchtlingspolitik: Eine humanitäre Katastrophe -betr.: "Kann sich Auschwitz wiederholen?", taz vom 20.5.94

Betr.: „Kann sich Auschwitz wiederholen?“, taz vom 20.5.

„Kann sich Auschwitz wiederholen?“ ist „weder mit ja noch mit nein zu beantworten“ (Eberhard Jungfer) und bedeutet nicht, Geschichte würde sich ganz einfach wiederholen. Ein direkter Vergleich der heutigen Politik mit Auschwitz wäre falsch und würde den Opfern nicht gerecht werden. Vielmehr stellt sich die Frage nach jenem konzeptionellen Denken, welches Auschwitz hervorgebracht hat. Denn das Vernichtungslager war der Endpunkt einer langen Entwicklung, die mit Stigmatisierung, Aussonderung und Abschiebung begann.

An diese Vorgeschichte knüpft sich unsere Besorgnis, da die Politik von heute den Entwicklungen im Vorfeld der millionenfachen Massenvernichtung in vielen Fällen sehr ähnlich ist bzw. ihnen haargenau gleicht. Genannt seien nur Radau-Rassismus, Abschreckung, Lager, Unterernährung, Massenabschiebungen, Deportationsabkommen, Sammeltransporte und Euthanasie-Debatten. Bereits die jetzige Politik ist eine humanitäre Katastophe, es schließt sich aber darüberhinaus die bange Frage an: Wohin führt der Weg diesmal?

Aus dieser Besorgnis heraus folgt für uns zwingend die Konsequenz, daß Auschwitz für immer Mahnung und Aufforderung bleiben muß, sich diesen Tendenzen vehement entgegenzustellen und die bestehende Kontinuität des konzeptionellen Denkens, welches Auschwitz hervorgebracht hat, zu durchbrechen.

Antirassismus-Büro