Mit der Sandstrahldüse in die Pleite

■ Kleinunternehmer mit Dumpingverträgen geknebelt / 150.000 Mark Schaden in acht Monaten

„Mit dem Tausend-bar-Wascher, da hauen wir jetzt die Farbe mit weg. Samstags auch, manchmal von morgens sieben bis abends zehn. Wegen der ganzen Schulden.“ Klaus-Peter U. und Bernhard G. sitzen auf der Angeklagtenbank, zwei muskelbepackte Männer um die vierzig – zwei Bären, aber zwei sehr, sehr müde Bären.

Kein Wunder, Klaus-Peter U. und Bernhard G. versuchen verzweifelt, einen Berg von Schulden abzuarbeiten. Rund 150.000 Mark, die haben sich in nur acht Monaten aufgetürmt, in denen sich die beiden als freie Unternehmer versucht haben. Ohne jede Kenntnis vom Geschäftlichen hatten sie eine Firma für Sandstrahl- und Tankreinigungen aufgemacht. Der Versuch ist gründlich fehlgeschlagen. Die wenigen Auftraggeberfirmen in Bremen und Bremerhaven quetschten derart niedrige Stundensätze aus den Jungunternehmern, daß die schnell in die Knie gingen.

Als die Finanzdecke rasch dünner wurde, meldeten die beiden einen Teil ihrer Mitarbeiter nicht mehr an, monatelang bekam das Finanzamt die fällige Lohn- und Einkommensteuer nicht zu sehen. Am Ende stand die Kripo vor der Tür und eine Anklage wegen fortgesetzten Betrugs und Steuerhinterziehung. Gestern fand die Verhandlung vor dem Bremer Schöffengericht statt.

Im Mai 1991 begann das kurze aber nachhaltige Abenteuer für die beiden Männer. Beide waren arbeitslos, beide hatten lange in der Branche gearbeitet. „Und wir wollten eben um die Sozialhilfe drumrumkommen“, sagte Klaus-Peter U., schließlich haben beide Familie.

Da kam das Angebot von einem ehemaligen Arbeitgeber gerade recht. Die beiden sollten sich doch selbständig machen, die Aufträge kämen dann schon. Das war der Anfang vom Ende. Denn beide Männer hatten zwar Ahnung vom Sandstrahlen und von der Tankreinigung und wie man stundenlang verölte und verrostete Behälter mit der Hochdruckdüse sauberkriegt, aber alles was mit Geschäftsführung zu tun hatte, hatten beide nur von weitem gesehen.

So wurden die ersten Verträge gemacht. Als U's Anwalt die bei seiner Vorbereitung zum Prozeß zu sehen bekam, traute er seinen Augen kaum: „Bei den Sätzen konnten die beiden auf keinen grünen Zweig kommen.“ Die Unwissenheit der beiden Newcomer wurde von den paar Auftraggebern gnadenlos ausgenutzt.

Seit Beginn der achtziger Jahre hat sich die Reinigungsbranche kräftig verändert. Seitdem sind die großen Unternehmen dazu übergegangen, eigenes Personal zu entlassen und die anfallenden Arbeiten an Subunternehmer zu übergeben. Der Vorteil für die Großen: In der auftragsarmen Winterzeit muß das Personal nicht bezahlt werden. Das hatte allerdings zur Folge, daß reichlich ehemalige Arbeiter nun ihr Glück als Unternehmer versuchten – und oft genug auf den Bauch fielen, wie die beiden Angeklagten. Die Arbeitgeber der beiden Angeklagten bevor die arbeitslos wurden und ihren eigenen Laden aufmachten – der Richter kannte sie alle: „Den einen oder anderen hab ich schon aus dem Verkehr gezogen.“

Ihr Steuerberater habe sie nicht aufgeklärt, sondern einfach die Arbeit eingestellt, als die beiden Jungunternehmer keine Belege mehr ans Finanzamt geschickt hatten. Schon nach wenigen Wochen waren die Wogen über ihren Köpfen zusammengeschlagen. Nach acht Monaten war das bittere Ende der Firma gekommen. Das Finanzamt und die AOK standen mit jeweils fünfstelligen Nachforderungen auf der Matte.

Das war im Januar 1992. Heute arbeiten die beiden wieder – in der eigenen Firma – Sandstrahlarbeiten und Tankreinigung. „Wir haben überlegt, ob wir nicht wieder aufmachen, wegen der Schulden. Und jetzt sind wir voll in die Gänge.“ Beide scheinen die Lektion gelernt zu haben: keine Angestellten. Und weit vor Prozeßtermin vereinbarten sie mit der AOK einen Tilgungsplan: 15 Prozent jeder Auftragssumme wurde von Beginn an an die AOK abgeführt.

Nach einigen Rechnereien kam gestern heraus, die Schulden sind die beiden los, immerhin eine stattliche Summe von mehr als 65.000 Mark. „Das ist dann getilgt“, sagte der Richter. Die beiden Männer guckten sich an und waren glücklich.

Das Finanzamt will noch knapp 90.000 Mark haben. An diese Summe sollen sich die beiden jetzt heranmachen, wird im Urteil festgehalten. Das fiel insgesamt maßvoll aus. Der Staatsanwalt hatte Geldstrafen gefordert, „damit sind wir nicht ausgekommen“, sagt der Richter am Ende. Beide bekamen sieben Monate auf drei Jahre Bewährung und die Kosten des Verfahrens aufgebrummt. Ein Zuhörer mit Kenntnissen der Branche: „Da saßen die Falschen auf der Anklagebank.“

Jochen Grabler