■ Konferenz der ostdeutschen Justiz- und Innenminister: Sachsen-Anhalt als Menetekel
Die gestrige Tagung der ostdeutschen Innen- und Justizminister in Magdeburg hat wieder einmal nichts gebracht als mühsam und doch routiniert vorgetragene Betroffenheit, den altehrwürdigen Ruf nach schärferen Gesetzen und den Appell an alle, sich den Rechtsextremen im Lande doch bitte in den Weg zu stellen. Wenn stimmt, was Politiker aller Couleur zur Zeit im Munde führen, daß nämlich die Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Ausländerfeindlichkeit die erste ernsthafte Herausforderung für die demokratische Verfaßtheit der Bundesrepublik darstellt, dann steht es schlecht um uns, mehr aber noch um Sachsen-Anhalt. Der Skandal in diesem Bundesland liegt weniger darin, daß sich von den ersten rassistischen Übergriffen im Jahre 1991 über die mörderische Prügelei auf den Magdeburger Elbterrassen bis hin zur Ausländerhatz am „Herrentag“ vor knapp zwei Wochen eine polizeiliche Panne an die nächste reiht – der Skandal liegt darin, daß weder Politiker noch hohe Beamte im mindesten daran denken, daraus politische oder organisatorische Konsequenzen zu ziehen.
Ein Muster liegt hinter all den bekanntgewordenen Fällen: rassistische Übergriffe werden konsequent verharmlost, wie am „Herrentag“, als „Sonne und Alkohol“ für die Ausländerjagd verantwortlich gemacht wurden. Festgenommene Straftäter werden wieder auf freien Fuß gesetzt. Und am Ende ist ein Gerichtsverfahren nicht möglich, weil die Polizisten vor Ort die Spurensicherung unterließen. Zugereiste Skinheads wußten immer, wann und wo die Randale stattfinden sollte, die Polizei hingegen blieb stets ahnungslos. Das Muster wiederholt sich auf politischer Ebene. Polizeipräsidenten, die nicht in der Lage sind, den polizeilichen Notstand in ihrer Behörde zu beseitigen, werden weder gefeuert noch versetzt. Sie werden für ihren hervorragenden Einsatz gelobt.
Die kollektive Ignoranz der Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt wird durch den Ruf nach einer härteren Strafverfolgung nur schlecht kaschiert. Wo Strafverfolgung so gut wie gar nicht stattfindet, kann auch eine Verschärfung der Vorschriften nichts bringen. Den Magdeburger Ministerien und Behörden mangelt es nicht an Kompetenzen, es mangelt ihnen schlicht am Willen, den rechtsextremen und ausländerfeindlichen Sumpf trockenzulegen. Daß es anders geht, und ohne neue gesetzliche Regelungen, zeigt der Blick ins benachbarte Bundesland Sachsen. Die dort beim Landeskriminalamt angesiedelte Sonderkommission „Rex“ hat die rechtsextreme Szene frühzeitig durchforstet. Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten ging drastisch zurück, neun von zehn Delikten wurden aufgeklärt. Wolfgang Gast
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