Politik der Abschreckung

■ Ein Jahr nach der Asylrechtsänderung – Eine Bilanz

Bonn (taz) – Als „Politik der Abschottung, Abschiebung und Abschreckung“ oder kurzum als konzertiertes „AB“, bezeichnete gestern Pro-Asyl-Sprecher Heribert Leuninger die neue Asylpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Diese war heute vor einem Jahr mit der Artikel-16-Grundgesetzänderung eingeleitet worden. Ein Anlaß für VertreterInnen zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, in der Bonner Friedrich-Ebert-Stiftung Bilanz zu ziehen.

Leuninger betonte, daß die eigentliche Abschottung der Bundesrepublik nicht erst an der eigentlichen Staatsgrenze stattfinde, sondern de facto schon wesentlich früher betrieben werde: Der erste „legale und unüberwindliche Wall“ stelle nach Meinung Leuningers eine seit Jahren „äußerst restriktive Praxis der Visaerteilung“ dar. Dies geschehe vor allem in den Staaten, „aus denen möglicherweise Flüchtlinge kommen könnten“, so Leuninger. Als „rassistische Komponente der neuen Asylpolitik“ wertete er das Verhalten der Bundesrepublik, zwar einerseits „die Menschenhatz auf Afrikaner zu verurteilen, andererseits jedoch die Aufnahme von Staatsbürgern aus Ruanda kategorisch abzulehnen“.

Kritik an der Asylrechtsänderung übten auch der Vertreter von amnesty international, Wolfgang Grenz, sowie die UNHCR-Abgesandte Judith Kumin. Beide befürchten eine Kettenabschiebung politisch Verfolgter zurück ins Ursprungsland, wenn in angeblich „sicheren Drittstaaten“ ein faires Asylverfahren nicht gewährleistet sei. Statt formeller Ausschlußgründe müsse der Schutz des Flüchtlings absolut im Vordergrund stehen. Hasso Suliak