USA blasen deutsches Atomei aus

■ Washington verhindert Lieferung von waffenfähigem Uran für den geplanten Reaktor Garching

Berlin (taz) – Der Einsatz von waffenfähigem Uran in dem in Garching geplanten Forschungsreaktor München II (FRM-II) irritiert zunehmend die US-Regierung, aber auch Teile der physical community in Deutschland. Um das umstrittene Konzept, das langjährige internationale Anstrengungen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen unterläuft, noch zu verhindern, verstärkt Washington derzeit systematisch den diplomatischen Druck auf alle potentiellen Lieferanten von hochangereichertem Uran. Damit steht das erste größere Reaktorprojekt auf deutschem Boden seit der Katastrophe von Tschernobyl auf der Kippe. Mit dem Uran sollen Verbesserungen in der Festkörperanalyse erzielt werden.

Die Amerikaner teilten der Bundesregierung zunächst informell und, als dies ohne Reaktion blieb, kürzlich auch formell mit, daß US-amerikanisches Bombenuran für den FRM-II definitiv nicht zur Verfügung stehe. Mitte April sondierte daraufhin ein Unterhändler der TU München im Moskauer Atomministerium, ob Rußland als Ersatzlieferant für den brisanten Stoff einspringen könne. Die Russen winkten ab. Im Zusammenhang mit einem Urandeal mit den USA hatte sich Moskau zuvor verpflichtet, kein hochangereichertes Uran an Drittländer zu verkaufen. Inzwischen stehen auch 600 bis 800 Kilogramm des Brennstoffs nicht mehr zur Verfügung, die derzeit in britischen Lagern aufbewahrt werden. Auf eine entsprechende Bitte der US-Regierung teilte der britische Premier John Major der EU- Kommission kürzlich mit, die Uranvorräte amerikanischen Ursprungs stünden auch für europäische Partner nicht mehr zur Verfügung. Darüber hinaus wollen die Amerikaner nun auch Euratom verpflichten, einen Restbestand von 300 bis 400 Kilogramm hochangereicherten Urans aus US-amerikanischer Produktion dem internationalen Spaltstoffhandel zu entziehen, heißt es in dem Bericht weiter. Außerdem sollen die Franzosen, die ebenfalls noch über einen größeren Vorrat an bombenfähigem Uran verfügen, verpflichtet werden, den Stoff nur noch im eigenen Land zu verbrennen.

Hintergrund der harten amerikanischen Haltung ist die Weigerung der Münchner TU-Professoren, in ihrem geplanten Forschungsmeiler auf den Bombenstoff zu verzichten, obwohl internationale Programme diese Möglichkeit seit über 15 Jahren eröffnen. Aus demselben Grund appellierten gestern in Bonn 50 Physiker, darunter über 20 Professoren und Angehörige anderer deutscher Kernforschungsanlagen, an die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft, auf das Projekt in der vorgesehenen Form zu verzichten. In einem Offenen Brief, der neben vielen anderen die Unterschriften von Hans Peter Dürr vom Max-Planck-Institut für Physik in München und des früheren Präsidenten der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), Werner Buckel, trägt, erklären die Wissenschaftler den FRM-II „in der vorliegenden Konzeption für außen- und sicherheitspolitisch schädlich“. Nicht der unwahrscheinliche Verlust des hochangereicherten Urans, das der Reaktor pro Jahr verbrennen würde, sei das Problem, sondern der „Präzedenzfall“, der geschaffen werden. Die Physiker fürchten, daß „das schlechte deutsche Beispiel Schule machen“ und der fast schon eingestellte Handel mit Waffenuran eine Renaissance erleben könnte. gero Seite 3