Ein Paradies für Juristen

■ Öffnung des Versicherungsmarktes bringt unübersichtliche Verhältnisse

Klappern gehört zum Handwerk – das gilt auch für Versicherungskonzerne. Für die Securitas-Versicherungsgruppe tat das gestern der Hauptbevollmächtigte Heiner Lange. Neben dem gerade abgeschlossenen Geschäftsbericht von 1993 nahm er dabei die bevorstehende Angleichung der europäischen Rechtsnorm zum Anlaß. Die zum 1. Juli erwarteten Änderungen im Versicherungsgesetz „bringen einen deregulierten Markt, für den wir uns warm anziehen müssen“, so Lange.

Ein kleines Polster, von dem der Versicherungskonzern in den bevorstehenden Zeiten des „verschärften Wettbewerbes“ zehren könnte, konnte die Securitas bereits im Geschäftsjahr 1993 anlegen: Die Einnahmen wurden im vergangenen Jahr um weitere 30 Millionen auf 480 Millionen gesteigert. Neben der Beitragserhöhung in der Sparte der Schadensversicherung – Einbrüche und Diebstähle seien der größte Verlustbringer – sei das auf die „schlanker“ gewordenen Unternehmensstruktur zurückzuführen: Heute erledigen bundesweit 700 statt wie früher 800 Angestellte die Arbeit.

Schon hinsichtlich des zu erwartenden Wettbewerbs in Europa sei der Personalabbau nötig gewesen, so Heiner Lange. Denn der würde vor allem auf den lokalen Märkten, unter den deutschen Unternehmen also, ausgefochten.

Aber nicht nur für die Unternehmen prognostizierte Lange sorgenvolle Zeiten. Auch die KundInnen könnten gebeutelt werden: „Ob die neue europäische Lage ein Mehr an Verbraucherschutz bedeuten wird – ich weiß es nicht“, orakelte er. „Ein Paradies für Juristen wird es mit Sicherheit“. Anders als bisher nämlich, wo VerbraucherInnen sich vor allem am Preis orientieren, wenn sie amtlich genehmigte und normierte Versicherungsbedingungen „einkaufen“, stehen in Zukunft auch die Versicherungsbedingungen zur Disposition. Der Unterschied wird im Detail liegen: ob der Versicherungsfall für Sturmschäden beispielsweise bei Windstärke 8 eintritt, oder aufgrund einer Nebenklausel ab Windstärke 10, darauf müßten in Zukunft die VersicherungsnehmerInnen selbst achten.

Diese Bedenken teilt man in der Branche. Die Versicherungsvermittlung „Kollegen“ im Viertel beispielsweise bereitet sich darauf vor, mit edv-gestützten Programmen einen gewissen Standard sicherzustellen. „Das Problem ist doch, daß Anbieter aus dem EG-Ausland zwar auf den ersten Blick billiger erscheinen. Aber oft erfüllen sie nicht die im deutschen Gesetz vorgesehenen Haftungsbedingungen.“

Über das eigene Engagement auf dem neugeordneten Markt gab sich die Securitas gestern noch zurückhaltend — aber optimistisch. Verschiedene Wege seien „bereits angedacht“, fondsgebundene Lebensversicherungen, wie sie als Vermögensanlage schon lange in England üblich sind, beispielsweise – die englische „Sun Alliance Group“ ist Hauptaktionär bei der Securitas-Gruppe. Und vor allem: „Die Vertriebswege sind schon vorbereitet“. ede