Knatsch um Verkehrsgutachten

■ Innenstadtkonzept gegen Jäger-Protest öffentlich vorgestellt

Der Bremer Wirtschaftssenator Claus Jäger, FDP, liegt im Dauerkrach mit dem Koalitionspartner SPD. Zuerst mit der Landesvorsitzenden wegen des Flugblatts aus der vergangenen Woche, nun auch mit der Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte. Die hat einen Brief von ihrem Kollegen aus dem Wirtschaftsressort bekommen, in dem der schweres Geschütz auffährt. Das Vorgehen der Bausenatorin sei „unangemessen“ und „verschärfe die Konfrontation“. Dabei ging es um die Präsentation des Gutachtens über eine „Stadtverträgliche Innenstadterschließung“ des Hannoveraner Verkehrsprofessors Schnüll. Was Jäger so ärgerte: Diese Präsentation fand öffentlich statt, ohne daß vorher die Ressorts Umweltschutz und Wirtschaft exklusiv informiert wurden. „Eine Unverschämtheit“, sagte er gestern zur taz. Die Bausenatorin versteht die Aufregung überhaupt nicht. „Ihre Bewertung dieser Veranstaltung kann ich nicht nachvollziehen, da ich in keiner Weise meine Meinung oder die Bewertung meines Ressorts in dieser Veranstaltung vortragen werde“, schrieb sie gestern an ihren Kollegen.

Schnüll schlägt unter anderem vor, die City von parkenden Autos freizuräumen und sie in die nur schlecht ausgelasteten Parkhäuser zu zwingen. Eine Reihe von Innenstadtstraßen sollen vom Verkehr entlastet werden, zum Beispiel auch die Martinistraße, eines der heißumstrittenen Projekte innerhalb der Koalition. Das Schnüll-Gutachten sieht für die Martinistraße einen Rückbau auf zwei Spuren vor, und einen zusätzlichen Überweg auf der Höhe Böttcherstraße, eine Alternative zum notorisch vollgepinkelten Tunnel.

Die wichtigsten Ergebnisse des Schnüll-Gutachtens sind der Öffentlichkeit schon lange bekannt. Schließlich war die Erstellung von einem Beirat begleitet worden, in dem alle beteiligten Senatsressorts, die Kammern, Umweltverbände und das Ortsamt vertreten waren. Zudem hatte sich die Ampelkoalition monatelang und zäh mit dem von Schnüll vorgeschlagenen „Modellversuch autoarme Innenstadt“ herumgeschlagen – und ihn am Ende beerdigt. Die Einladungen zur öffentlichen Vorstellung des Gutachtens hatte das Bauressort schon am 11.Mai verschickt. So stieß der geharnischte Protest Jägers weitgehend auf Unverständnis, auch beim Umweltressort, das mit Bau und Wirtschaft dem senat einen Konsens vorlegen soll. Ressortsprecherin Christina Stein: „Hier ist keiner verärgert.“

Verkehrsgutachter Schnüll sieht den neuerlichen Streit um seine Arbeit gelassen: „Verkehrsplaner sind eben Wanderprediger für unentschlossene Politiker.“ Hinter verschlossenen Türen ist allerdings auch er deutlicher geworden. Bei einer Sitzung des Gutachter-Beirates hatte er sich über die spezifisch-bremische Art der Verkehrsdiskussion ausgelassen: So schlecht wie in Bremen sei er mit seiner Arbeit bislang nirgends behandelt worden. J.G.