Ampelkrach: SPD läßt FDP auflaufen

■ Schlichtungssitzung ohne Ergebnis / Wirtschaftssenator Jäger: „Eine bodenlose Sauerei“

Dunkle Wolken über der Bremer Koalition: In der vergangenen Woche hatte sich die FDP heftig darüber empört, daß sich die Landes-SPD mit dem Protest der Sozialinitiativen solidarisiert hatte, am Mittwochabend hat eigens der hochrangig besetzte Koalitionsausschuß getagt, um den Konflikt aus der Welt zu schaffen – doch ausgeräumt ist nichts. In der Koalitionsrunde wurden die Positionen noch einmal ausgetauscht, aber am Ende konnte sich das Gremium auf keine gemeinsame Erklärung einigen. Wie am ersten Tag schimpfte gestern Wirtschaftssenator Claus Jäger auf den Koalitionspartner SPD: „Was die machen, das ist doch nichts weiter als eine bodenlose Sauerei.“

Was Jäger so erregt, das ist nach wie vor das Flugblatt der SPD zum Protesttag der Sozialverbände gegen die Sparrunden im Sozialbereich. Darin hatte sich die SPD zwar hinter das Sanierungsprogramm gestellt, sich aber gleichzeitig mit dem Protest solidarisiert. „Das ist der blanke populistische Wahlkampf“, ereiferte sich Jäger noch am Tag nach der Sitzung. Die SPD betreibe eine „Doppelstrategie“: Einerseits bekenne sie sich verbal zum Sanierungsprogramm, andererseits lehne sie aber die Verantwortung für die Folgen ab. Jäger: „Das ist schizophren.“ Schließlich stelle die SPD den Finanzsenator, und der sei einer der Architekten der Sanierung. Und die SPD stelle die Sozialsenatorin, und die sei von den Sozialverbänden scharf angegangen worden. Die SPD müsse sich politisch entscheiden, so Jäger: „Entweder sie zieht diese Leute aus dem Senat zurück oder sie geht aus der Verantwortung. Das haben die offenbar nicht begriffen.“

Letztlich sei das Flugblatt nichts anderes als die Abkehr von der Sanierung, sagt Jäger. Die SPD fordere die Kürzung der Investitionszuschüsse zugunsten des Sozialhaushalts. „Das ist die klassische Gegenposition zum Sanierungsprogramm.“ Jetzt wollen Jäger und seine FDP abwarten, wie sich die SPD bei der Aufstellung des Haushaltes 1995 und bei der diesjährigen Sparrunde verhält. Jäger: „Das wird die Nagelprobe für die Doppelstrategie. Wenn sich die SPD bei der Haushaltsaufstellung verweigert, wird es keine Koalition mehr geben.“

Nachdem schon in der vergangenen Woche die Wogen wegen des SPD-Flugblattes hochgegangen waren, hatte die FDP die Sitzung des Koalitionsausschusses für Mittwoch abend verlangt. Doch der endete ohne Kompromiß. Die SPD-Landesvorsitzende Christine Wischer hatte es rundweg abgelehnt, über das Flugblatt der Partei überhaupt zu diskutieren. Das wiederum hatte die Vertreter der FDP – Jäger, der Fraktionsvorsitzende Welke und der Abgeordnete Braun – auf die Palme gebracht. Schließlich sei der Koalitionsvertrag von Parteien abgeschlossen worden, wetterte Jäger. Wischer meinte dagegen, es müsse den Ampelparteien gestattet sein, ihre Grundpositionen auch jenseits der Koalitionsräson darstellen zu können. Wischer: „In den letzten zwei Jahren hat man die SPD kritisiert, daß sie nur Moderatorin der Koalition war, ohne eigenes Profil. Jetzt haben wir als Partei gesagt, was wir meinen. Das war wohl ungewohnt.“ Außerdem habe auch die FDP in der Vergangenheit kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum gegangen sei, eigenes Profil zu zeigen, rieben die SPD-VertreterInnen den Liberalen unter die Nase. So eindeutig stehe auch die FDP nicht zur Koalition. Klaus Wedemeier in der Runde: „Herr Braun, Sie wollen doch lieber heute als morgen aus der Koalition aussteigen.“ Braun: „Das stimmt, aber ich stehe zum Koalitionsvertrag.“ Die FDP drängte auf eine öffentliche Erklärung der SPD, doch die weigerte sich standhaft. So ging die Runde nach eineinhalb Stunden frustriert auseinander.

Martin Thomas von den Grünen zog gestern das Fazit: „Es ist schade, daß die Koalition nicht in der Lage ist, über den Freiraum zu diskutieren, den die Parteien jetzt natürlich brauchen.“ J.G.