Über den Malaysia-Deal sagt Thatcher kein Wort

■ Die „Staudamm gegen Waffen“-Geschäfte beschäftigen jetzt einen Untersuchungsausschuß / Die Ex-Premierministerin ignorierte jeden Rat

London (taz) – Einflußreiche Freunde sind nicht mit Gold aufzuwiegen. Oder doch? Margaret Thatchers „goldener Kreis“, zu dem Geschäftsleute und Politiker gehören, die ihr noch immer treu ergeben sind, weiß jedenfalls genau, was er an der ehemaligen Premierministerin hat. Schließlich hat sie ihre Vasallen kräftig mitverdienen lassen. „Entwicklungshilfe gegen Waffenkäufe“ hieß das Geschäftsprinzip.

Im Fall Malaysias ist die Sache aufgeflogen, weil innerhalb der britischen Regierung ein heftiger Streit um ein Entwicklungshilfe- Projekt im Norden Malaysias entbrannt war. Tim Lankaster vom Londoner Ministerium für Entwicklungshilfe rügte vor dem Finanzausschuß des Unterhauses den von Großbritannien mit 234 Millionen Pfund finanzierten Pergau-Staudamm, weil er nicht nur ökonomisch unsinnig, sondern ökologisch gemeingefährlich ist – er liegt mitten im bis dato unberührten Regenwald. Thatcher- Nachfolger John Major setzte das Projekt jedoch gegen den Willen des Finanzausschusses durch. Der Ausschuß fand außerdem heraus, daß Malaysia im Gegenzug für 1,3 Milliarden Pfund britische Waffen bestellen mußte.

Ein Sündenbock war schnell gefunden: George Younger, der als Verteidigungsminister unter Thatcher im März 1988 das Protokoll unterzeichnet hatte, in dem die Entwicklungshilfe mit dem Verkauf von Waffen verknüpft wurde. Drei Monate später schrieb Younger allerdings an das malaysische Finanzministerium und teilte mit, daß diese Verknüpfung illegal sei. Doch fast zur selben Zeit machte Thatcher auf dem Rückweg von Australien einen zweistündigen Abstecher nach Kuala Lumpur, wo sie mit dem malaysischen Präsidenten Mahathir Mohamad zusammentraf.

Auf Anfrage des Labour-Abgeordneten Stephen Byers mußte Premierminister John Major jetzt zugeben, daß dabei auch über den malaysischen Rüstungsauftrag gesprochen wurde. Bisher war Thatchers Stippvisite vom 6. August 1988 im Parlament überhaupt nicht bekannt. Byers sind Informationen darüber anonym zugespielt worden. „Das ist möglicherweise das letzte Teil im Pargau-Puzzle“, sagte Byers. „Aus Majors Antwort geht klar hervor, daß Thatcher Entwicklungshilfe und Waffengeschäft wieder miteinander verknüpft und den Rat ihrer Minister ignoriert hat.“

Thatcher weigert sich, vor dem außenpolitischen Ausschuß des Unterhauses, der mit der Untersuchung der Affaire beauftragt ist, auszusagen. „Ich sehe mich nicht in der Lage, mit den Konventionen zu brechen, die seit 1945 bestehen“, heuchelte sie in einem Brief. „Danach machen Premierminister und ehemalige Premierminister vor Sonderausschüssen keine Aussagen zu bestimmten Themen.“

Der Ausschuß hatte sich von Thatcher Hinweise erhofft, hat sie in den achtziger Jahren doch persönlich die gestörten Beziehungen zu Malaysia repariert – nicht ganz selbstlos, wie es scheint. Dementsprechend verärgert waren die Ausschußmitglieder über die Aussageverweigerung. „Thatcher hat gekniffen“, sagte der schottische Abgeordnete Dennis Canavan. „Ich bin jetzt mehr denn je davon überzeugt, daß sie tief in das Pergau-Fiasko verstrickt war, genauso wie sie nun in die Vertuschung verstrickt ist.“

Die genauen Details über „Floodgate“, wie der Skandal getauft wurde, bleiben wohl vorerst im dunkeln, zumal auch Thatchers Komplizen dichthalten. Die meisten Namen sind bekannt: Sir Charles Powell, Thatchers früherer außenpolitischer Berater und heutiger Direktor von „Trafalgar House“, deren Tochtergesellschaft am Staudamm mitbaut; Tim Bell, Thatchers PR-Guru, der gleichzeitig für den malaysischen Premierminister Mahathir und den Geschäftsmann Tan Sri Arumugam arbeitet; Arumugam, Mehrheitsaktionär von GEC Malaysia, das die Turbinen für den Staudamm baut; James Prior, Vorsitzender der britischen GEC-Muttergesellschaft und ehemaliges Mitglied im Thatcher-Kabinett, der sich eine Scheibe von dem Rüstungsauftrag gesichert hat; und immer wieder der immens wohlhabende Thatcher-Sohn Mark, Berater von „Trafalgar House“, der seine Finger vermutlich in einer ganzen Reihe von Rüstungsgeschäften hat. Er ist eng mit Stephan Kock befreundet, einem Soldaten und Rüstungsexperten, bei dem nicht nur die verschiedenen Fäden der Geschäfte zwischen London und Kuala Lumpur zusammenlaufen, sondern der auch in den Waffenschmuggel nach Irak verwickelt ist.

Sie alle profitierten von dem Malaysia-Deal, zu dem wahrscheinlich auch ein geheimer Armeestützpunkt für britische Sondertruppen bei Mersing an der Ostküste Malaysias gehört – schließlich muß man ja demnächst aus Hongkong abziehen. Jedenfalls hat Thatcher ihr Amt als Premierministerin offenbar geschickt benutzt, um für sich und ihrem „goldenen Kreis“ neue, lukrative Märkte zu eröffnen. Es ist zu vermuten, daß Malaysia dabei kein Einzelfall war. Ralf Sotscheck