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■ Fanny Müller: Die 8. Geschichte von Frau K.Phallus

Frau K. hat mich gebeten, sie zu Anneliese Köster zu begleiten. Anneliese ist die Vertrauensfrau vom Otto-Versand „und hat zwei Pakete für mich zu liegen“. Wir werden schon mit Kaffee und Kömbuddel erwartet, aber beide nehmen wir nur eine Tasse Kaffee an. Anneliese stellt die Flasche weg. Irgendwie kommt das Gespräch auf die Ausländerfrage. Daß wir „nichts gegen Ausländer“ haben, muß zum Glück nicht erwähnt werden, denn natürlich haben wir alle was gegen Aram, der immer die Punks anmacht, daß sie mal arbeiten gehen sollen. Bei Anneliese bin ich mir allerdings nicht so sicher. Frau K. rollt jetzt die ganze Sache historisch auf:

„Früher“, sagt Frau K. „da warst du ja schon Auslänner, wenn du bloß aus Quickborn wars. Die warn aber auch irgendwie komisch... nehm wir nur ma Dora (ihre Schwägerin) - die hat immer Streifen auf ihrn Regenschirm gemalt, das gab da ja noch keine bunten, und wie das denn regnete, denn is die ganze Farbe auf ihrn Übergangsmantel...“ „Und Lenchen Dallmann“, trumpft Anneliese Köster auf, die allerdings nicht so ganz „pottnüchtern“ ist, wie sie gerade vorher behauptet hat, „Lenchen Dallmann hat ja immer ihrn Mann verdroschen!“ Wir können nicht so richtig folgen, denn weder Lenchen noch ihr Mann Klaus-Dieter, der zur See fährt und übrigens auch so aussieht wie er heißt, sind aus Quickborn, geschweige denn „richtige“ Ausländer. „Der hat ausn Ausland immer son unanständigen Kram mitgebracht. Fallobs. Da hat sie ihn denn mit gehaun.“ „An-ne-lie-se“, sagt Frau K. langsam und deutlich, „mit Fallobs kanns-tu kein haun. Das kannstu schmei-ßen. Das machen die immer auf Präsidenten un Kanzler un sowas. Aber nich zuhause. Da schmeißtu mit Por-ze-lahn.“ „Ich wer euch ma was sagn“, sagt Anneliese aufgebracht. „Dietsche hat mir ein davon gegehm un den zeichich euch jetz...“ Sie greift nach hinten unter die Anrichte. Der Stuhl fängt bedrohlich an zu kippeln, aber Anneliese fängt sich im letzten Moment. Mit puterrotem Kopf hält sie uns einen aus dunkelbraunem Holz geschnitzten Gegenstand entgegen. Ich hatte es mir schon fast gedacht. Daß Lenchen ihren Mann aber nun deswegen verprügelt hat, scheint mir eine Schutzbehauptung zu sein - wenn man mal an die Zoten denkt, die sie normalerweise schon am frühen Morgen zum besten gibt und bei denen sogar ich erröte, obwohl ich schon mehrfach in einer Kantine ausgeholfen habe.

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