Sexuelle Maschine

■ „Klangkrieg“: zwischen Kunst und Atonal

Als sich Klangkrieg vor drei Jahren im Universum der Töne konfigurierten, waren sie nur ein Duo, das die klassische Musikausbildung Felix Knoths mit dem Wissen des Elektronik-Forschers Tim Buhre kombinierte. Mittlerweile haben die beiden Hamburger eine Geräusch-Galaxie geschaffen, die vom Industrial-Pop ausgehend sich immer weiter in die ausgedehnteren Gefilde der Kunst spiralt.

Kurz nach Veröffentlichung ihrer ersten CD im August 1993 wurden sie zur Karlsruher Multimediale gebeten, wo sie ihre Klanginstallation 38 cbm aufbauten: Das Hörstück für einen Fracht-Container, so der Untertitel, beschallte das Publikum 16 Minuten lang in diesem abgeriegelten Raum mit Klängen. Im April diesen Jahres sandte das renommierte Goethe-Institut die Klangkrieger nach London zum Soundwork-Exchange, um mit internationalen Geräusch-Bastlern Projekte zu realisieren. In Hamburg sind Klangkrieg am 2. Juni in der Roten Flora zu sehen.

taz: Vor drei Jahren hattet Ihr die Idee, im Hafen Stühle aufzustellen und zu sagen: Dies ist ein Konzert, weil hier klangliche Abläufe zu hören sind. Wollt Ihr das jetzt immer noch?

Felix: Ich finde es krasser, wenn man jemand an die Stresemannstraße setzt. Aber der Unterschied zwischen bewußtem Hinhören und Hören wird bei Klangkrieg immer Gültigkeit haben.

Seht Ihr Euch in der Tradition der Futuristen, die um die Jahrhundertwende versuchten, mit Kompositionen aus Autokrach und Menschenlärm den Musik-Begriff zu revolutionieren?

Tim: Ich finde es wichtiger, die Klänge aus dem Kontext zu lösen und in andere wieder einzufügen, um Kontraste zu schaffen.

Felix: Auf der Multimediale haben wir die hohen, fiepsenden Geräusche von Frühgeborenen mit Balzgeräuschen von Katzen kombiniert. Besonders Mütter waren genervt, sie wollten, daß wir das Strom-Kabel rausziehen.

Bei „38 cbm“ habt Ihr Euren Anspruch, den Raum bei einem Klangereignis miteinzubeziehen, realisiert. Ist das auch in der Flora möglich?

Felix: Nein. Dort wollen wir die Renaissance der alten Geräte vorantreiben. Ich und Uli Rehberg – als Gastmusiker – improvisieren live mit Korgs, Tim mixt und bearbeitet die entstandenen Klänge.

Diese alten Synthies sind ja äußerst karg im Sound.

Felix: Nein, man kann viel aus ihnen herausholen. Es ist sehr fragwürdig, ob man diese neuen technischen Entwicklungen für gute Klänge tatsächlich braucht.

Tim: Wir arbeiten zwar auch mit Samplern, aber wir benutzen sie nicht als Datenmaschine zum Abrufen, sondern für die klangliche Aufbereitung. Ich sample keinen Furz und bastle dann eine rhythmische Schleife draus, die pft, pft, pft macht. Im übrigen ist der Korg eine sehr sexuelle Maschine. Er hat viele Knöpfe, an denen man gleichzeitig drehen kann, man hat was in den Händen. Bei digitalen Maschinen dagegen bewegst Du nur die Maus. Diese Geräte haben immer was Imaginäres: Ich geb Zahlen ins Programm ein, und es kommt hinten was raus.

Felix: Beim Korg kann man eben nicht vorhersagen, was passiert. Und obwohl die Technik einfacher ist, sind die Klangergebnisse viel komplexer.

Bis auf einige Stücke von Euch, die demnächst auf Compilationen erscheinen werden, habt Ihr ja keine Einnahmen. Könnt Ihr von Eurer Musik leben?

Felix: Nein, darauf will ich auch nicht angewiesen sein. Aber im übersättigten Atonal-Markt haben wir relativ gut verkauft.

Wann kommt die zweite CD?

Felix: Das dauert noch bis Herbst. Gerade mache ich die Filmmusik für zwei Episoden des geplanten Comic-Films von Mariola Brillowska.

Tim: Für das Ponton European Media Artlab, das im Bereich der interaktiven Kunst arbeitet, entwickle ich die Sensorik des neuen Projekts für die Ars Electronica in Linz: Bewegungen von Menschen werden umgesetzt in Klangverläufe und Computergrafik.

Ist Klangkrieg für Euch Muzak, also funktionale Musik?

Felix: Nein, auf keinen Fall!

Tim: Mitunter ja, denn Musikhören hat für mich Funktionalität! Beim Tekno zum Beispiel...

Felix: Ein Abgrund zwischen uns... Wir reizen doch die Leute zum bewußten Hinhören!

Der Rest des Interviews: Streit.

Die Fragen stellte Greta Eck.

„Klangkrieg“, „BMB con“ und „TBC“: 2. Juni, Flora, 21 Uhr