Aufmerksamkeit ist knappes Gut

■ Der Philosoph und Ökonom Georg Franck im Literaturhaus über das Bedürfnis nach Prominenz im Spätkapitalismus

„Die Aufmerksamkeit anderer Menschen ist die unwiderstehlichste aller Drogen. Ihr Bezug sticht jedes andere Einkommen aus. Darum steht der Ruhm über der Macht, darum verblaßt der Reichtum neben der Prominenz.“ Diese Kernthesen vertrat der philosophierende Ökonom und Stadtplaner Georg Franck von der Technischen Universität in Wien am Donnerstag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Perspektiven metropolitaner Kultur“ im Literaturhaus.

Franck entwarf dabei in seinem Vortrag „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ eine Art immaterieller Variante des modernen Kapitalismus. Nicht mehr die Produktion und die dazu in Geld gewogenen Werte spielen eine dominante Rolle, sondern die Inszenierung von multimedialer Öffentlichkeit, von Präsenz und Prominenz gewinne rasant an wirtschaftlicher Bedeutung. Wobei nicht mehr das „Geld geil macht“, sondern die Aufmerksamkeit, die der Einzelne erfährt.

Franck hob die für ihn unersättliche Gier nach Bekanntheit in das Theoriegebäude der Ökonomie: Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, daher hat es einen hohen Nutzwert für jeden Einzelnen, der sich darin sonnt. Und weil nun modernste Technologie die physische Arbeit des Menschen schrittweise überflüssig werden läßt, verstärke sich indirekt die Nachfrage nach dem kostbaren Gut Zuwendung.

In der Tat läuft das Geschäft mit der Aufmerksamkeit gut. Sind doch die Medien, so pauschalisiert Franck, die Börsen der Berühmtheit, die „Märkte der Eitelkeiten“. Erst derjenige, der im Studio einer Fernsehstation unter der Beleuchtung schwitzt, durchbricht die Schallmauern der Prominenz. Sein Kurs steigt also.

Auch das Geschäft mit den Illusionen blüht. Das Verlangen, einmal dabeizusein - auch wenn man nur einmal ratender Akteur bei „Der Preis ist heiß“ sein sollte - ist weiterhin ungebrochen. Franck sieht im stärker werdenden Verlangen nach Aufmerksamkeit eine ernstzunehmende Chance für eine krisengebeutelte kapitalistische Ökonomie. Dadurch, daß ein materieller Wert durch ein geistig-seelisches Motiv, nämlich die schmeichelnde Aufmerksamkeit, ersetzt werde, könne hier die Vorherrschaft des materialistischen Wirtschaftens ersetzt werden. Statt Auto jedem eine Portion Prominenz - das hätte gar ökologische Vorteile. Doch tun sich bei dieser gedanklichen Konstruktion erhebliche Zweifel auf. So ist das kommerzielle und bisweilen niveaulose Spielchen um Aufmerksamkeit nicht vor Krisen gefeit. Denn wenn ein Leberfleck an der richtigen Stelle schon für mediale Präsenz reicht, ist die Inflationskrise des Phänomens Prominenz nicht mehr allzuweit. Desweiteren bleibt der Wert einer wie auch immer gearteten Intimität vollkommen unberücksichtigt. Ganz abgesehen von der grauseligen Scheinwelt einer vermeindlichen Wichtigkeit, die nur bis zur nächsten Bettkante reicht. Dierk Jensen