„Schwere Dinge“ für schwierige Zeiten

■ Schauspielhaus-Intendant Frank Baumbauer stellte seinen Spielplan 1994/95 vor

„Wir müssen's machen, und deswegen liebe ich My Fair Lady", gestand Schauspielhaus-Intendant Frank Baumbauer gestern seine Vernunftliebe zur leichten Muse, die im Juli und August die Kassen des Staatstheaters an der Kirchenallee füllen soll. Trotzdem solle sich dieser Programmpunkt „nicht mit dem Profil unserer künstlerischen Arbeit vermischen“, gab Baumbauer bei der Vorstellung seiner Pläne für die Spielzeit 94/95 zu Protokoll.

Positiv wertete Baumbauer zunächst die Bilanz seiner ersten Spielzeit in Hamburg. Der Anfang sei gemacht und das Konzept, dem Publikum auch „schwere Dinge“ zu geben, angekommen. Die 500 Vorstellungen im Großen Haus, Malersaal und in der Kantine waren im Durchschnitt mit 62,3 Prozent ausgelastet. Dabei sei der Anteil der Jugendlichen nicht unerheblich, Baumbauer: „Wir spüren's in der Neugier.“

Auch der kommende Spielplan scheint eine Unterforderung des Publikums auszuschließen. Dramaturg Wilfried Schulz legte sich nicht auf einen Leitgedanken fest: „Die Themen kommen auf uns zu: brennende Synagogen, Haß auf Ausländer, der 8. Mai fünfzig Jahre nach Kriegsende.“ Zu diesem historischen Datum wird Christoph Marthaler das Projekt Stunde Null zu Kontinuitäten und Diskontinuitäten deutscher Geschichte präsentieren. Xenophobie und Antisemitismus sind Inhalte, die sich in Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise und Christopher Marlowes Schauerstück Der Jude von Malta sehr unterschiedlich reflektiert finden, weshalb sie in der Inszenierung von Anselm Weber zur Spielzeiteröffnung im Oktober zu sehen sein werden. Weitere Premieren im Großen Haus: Elias Canettis Hochzeit (Regie: Christoph Marthaler, Februar 1995), Divinas Pabras von Ramón del Valle-Inclán (Regie: Werner Schroeter, April 1995). Gespannt dürfte Hamburg auf das Gründgens-Projekt von Johann Kresnik über die Frage, wie opportunistisch ein Künstler sein muß oder darf, werden. Mars von Fritz Zorn, der autobiographische Bericht eines Krebskranken, wird in der Baseler Inszenierung von Kresnik ab November in Hamburg wiederaufgenommen. Prinz Friedrich von Homburg, inszeniert von Martin Kusej, setzt im Dezember die Beschäftigung mit Kleist fort. Und auch Elfriede Jelinek ist mit dem kleinbürgerlichen erotischen Spektakel/Debakel auf dem Spielplan: Frank Castorf führt Regie bei Raststätte - Oder wie machen's alle, einer Komödie, in der sich Elemente von Jelineks Roman Lust finden.

Im Malersaal spielen Uraufführungen und deutsche Erstaufführungen die Hauptrolle: Von Katarakt, dem letzten Teil der Festungs-Trilogie von Rainald Goetz (ab Winter 1994) über das zweitletzte Stück Werner Schwabs Eskalation ordinär (ab März 1995) bis zu Tankred Dorsts Nach Jerusalem.

Im Auftrag des Schauspielhauses schrieb Dorst das Kinderstück Wie Dilldapp nach dem Riesen ging, in dem ein Naiver und ein Böser ein gemeinsames Problem haben: Die Erde bebt. Mit diesem Angebot für ganz Kleine will man die - einträgliche - Tradition des Kinderstücks fortsetzen.

Die Kantinen-Veranstaltungen werden fortgesetzt, und zum 8. Mai wird eine Rede-Reihe gemeinsam mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung gestartet. Das alles aber dürfen wir nur sehen, wenn wir - hauptsächlich auf den teureren Plätzen - zehn Prozent mehr Eintritt zahlen und es bei der Subventionskürzung um 1,5 Millionen Mark auf 36,8 Millionen für die Spielzeit 94/95 bleibt.

Julia Kossmann