Knast und Knüppel statt Kultur

■ Jugendtheater auf Kampnagel: Zielinskis letzter Protest Von Julia Kossmann

„Ich bitte um Entschuldigung, daß ich Dich nach Hamburg gelockt habe“, heißt es im Solidaritäts-Fax des Berliner Grips-Theater-Chefs Volker Ludwig, das Jürgen Zielinski, Ex-Chef des Jugendtheaters auf Kampnagel (JAK) gestern bekam. Ludwig, einstiger Mitgesellschafter der Klexs-Theater-GmbH, aus deren Ruin 1991 das Jugendtheater auf Kampnagel zunächst als auf zwei Jahre befristetes Projekt gewachsen war, ist selbstkritisch: „Es ist mir schon peinlich, daß ich trotz langer einschlägiger Erfahrungen voll auf die Politiker und ihre Sprüche reingefallen bin und nicht gemerkt habe, daß sie auch in Hamburg die Steuergelder für Jugendliche zehnmal lieber in Polizeiknüppel und Knästen anlegen als in Kulturarbeit.“

Zielinski selbst trat gestern mit einer Erklärung an die Presse. Darin analysiert er das Ende seines gerade aufgebauten und überaus erfolgreichen Ensembles in den Zerreißproben zwischen Kampnagel-GmbH, Kulturbehörde und dem Senatsbeschluß vom Herbst 1993, in dem ein rechtlich eigenständiges Jugendtheater für Hamburg politisch abgelehnt wird. 1,5 Millionen Mark wollte Hamburg für das JAK zahlen - Zielinski hatte 1,8 Millionen und 750.000 Mark Investitionen zur Herrichtung der maroden Kampnagel-Halle 4 gefordert.

Der künftige Kampnagel-Chef Res Bosshart aber hatte in Gesprächen mit Zielinski von Anfang an erklärt, daß für ihn ein JAK (“ein Staat im Staat“) nicht wünschenswert sei. Nun dürfte Bosshart froh sein, wenn er noch 500.000 Mark für Jugendtheaterprojekte und Gastspiele in Winterhude bekommt.

Zielinski unternahm im Frühjahr noch einen letzten Versuch, das JAK zu retten, indem er sich als Regisseur weiter zur Verfügung stellte, um das Projekt auf Kampnagel fortzusetzen. Doch dieses Angebot wurde ebenfalls von Behörde und Kampnagel abgebügelt, wobei Kultursenatorin Christina Weiss den Tod des Theaters „zwei Künstlern, die sich nicht einigen können“ anlastete; ein „bemühter Versuch“, von der eigenen Vorgehensweise abzulenken, wie Jürgen Zielinski findet.

Bezüglich Jugendkultur werde Hamburg schnurstracks vom „UEFA-Cup in die Kreisklasse C hinter Uelzen, Hintertupfing, Frankfurt am Main und Boitzenburg“ absteigen, prognostiziert Volker Ludwig, der der Senatorin einen Blick nach Dresden empfiehlt, die ärmere Elbe- und Partnerstadt, die einige Millionen für ihr Jugendtheater aufwendet. Wenn das Grips-Theater demnächst seinen 25. Geburtstag feiert, ist das Henkersmahl fürs JAK serviert.

Aber wenn wir am 5. Juni beim Elb-Art-Fest in die Röhre des alten Elbtunnels schauen, was sehen wir? Das JAK-Ensemble gibt Kostproben seiner Arbeit an einem Ort, der ja versuchsweise durchaus eine neue Heimat für ein Jugendtheater sein könnte. Zielinski bleibt nämlich dabei: „Ich fordere nach wie vor eine Spielstätte für Jugendtheater in Hamburg.“