■ Neulich...: ... beim Autoummelden
Stell Dir vor, Du mußt zur KFZ-Zulassungsstelle. Ich MUSSTE! Ich glaubte zu müssen, weil das Auto ein Nummernschild aus einer anderen Stadt hatte und irgendwo es ganz tief in meinem Unterbewußtsein rumorte: Das geht nicht, da muß ein neues Nummernschild her. Mehr nicht: neues Nummernschild. Du denkst: Rufst an, machtst einen Termin, fährst hin, neuer Stempel, neues Schild vorn, neues Schild hinten, viertel Stunde oder halbe und fertig. Denkst Du? Denkste.
Die KFZ-Zulassungsstelle ist eine hohe Schule der Unverschämtheiten, die die Staatsbürokratie ihrem Volk, von dem angeblich alle Gewalt ausgeht, zumutet. Termine machen? Das ist eine zivilisierte Form des Umgangs miteinander, damit man den anderen nicht unnötig warten läßt. Das geht beim Zahnarzt, aber nicht hier.
Im Flur des KFZ-Amtes hängt ein Schild, auf dem hervorgeht, daß jeder sich eine Nummer ziehen muß. Nach den Nummern wird dann aufgerufen, 535 zu Schalter 5, 536 zu Schalter 3.
Wir lange muß ich warten, wenn ich die Nummer 535 habe und gerade 470 „dran“ ist? Ich frage einen, der da sitzt und döst, wie lange er schon da sitzt, und er sagt: „Ne halbe Stunde, mindestens.“ Und wieviele Nummern ist es seitdem weitergegangen? „Weiß ich nicht genau“, sagt er, der Kopf sinkt wieder nach unten. Ich setze mich. 471.
Hinter dicken Schutzscheiben sitzen MitarbeiterInnen, zwei oder drei sind besetzt. Vor einigen Wochen gab es hier eine Betriebsversammlung, auf der ein Sicherheitsdienst gefordert wurde. Ich verstehe nicht recht, warum, die Schutzscheiben halten das Volk auf Abstand. 472. Bei 479 fällt mir ein, daß ich vergessen habe, die Versicherungskarte zu holen. Ich stehe auf, gehe zum Versicherungsbüro, bekomme sofort die Karte, auf dem Rückweg eile ich - 503.
Was wollte ich alles machen an diesem Vormittag! 507. Es gibt inzwischen Firmen, die einem diese Tortur abnehmen. Grotesk. Wenn die KFZ-Zulassung konkurrierend als privater Service angeboten würde, säßen die KFZ-Angestellten hier völlig allein - kein Mensch käme mehr hier hin. 513.
Eine Mitarbeiterin zieht den Vorhang zu. 519. Es ist zwölf Uhr. Neue Zettelchen werden heute nicht mehr ausgegeben. 13 Uhr ist Mittagspause, dann ist hier einfach Schluß. 520.
Langsam verstehe, ich, warum die einen Sicherheitsdienst brauchen. Es ist zehn nach 12 Uhr. Wenn sie so weitermachen, schaffe ich es noch, knapp. Ruhig, nicht provozieren lassen. Durch die nicht! Wenn mir eine Fliege den Arm hoch läuft, muß ich ja auch nicht um mich schlagen. 535.
Ich schrecke hoch. Das war doch ich! Drei große Schritte, ich bin am da - am Schalter. Ja bitte, sage ich, hier, sofort. Alle Unterlagen sind griffbereit.
Hinter der Schutzscheibe schiebt eine Dame um die 50 gemächlich ihr Brille hoch. Sie nimmt meine Unterlagen, vergleicht, nimmt ein Formular, macht ein Kreuzchen, schreibt Buchstaben. Meinen Namen hätte ich in der Wartezeit schon selber schreiben können. Der Mann auf der anderen Seite des Tisches macht eigentlich nichts. Sie noch ein Kreuz. Er hustet. „Ich sage dir, bleib zuhause“, herrscht sie ihn an. „In deinem Zustand würde ich zuhause bleiben.“ Er schichtet Blätter um, hüstelt. „Wenn du so weitermachst“ - ihr Tonfall wird noch eine Idee giftiger, „dann habe ich es auch und dann bleibe ich zuhause“ - sie gibt mir eine Unterlage zurück - „du wirst sofort krank geschrieben in deinem Zustand.“ Es warten immer noch 10 Leute, gleich 13 Uhr.
Nach fünf Minuten ist sie fertig, schiebt das Formular unter der Schutzscheibe durch. „Sie gehen jetzt zur Kasse und dann zum Entsiegeln in die Baracke und dann mit dem Formular zu ihm...“ Zeigt auf den Mann, der ihr immer noch gegenüber sitzt.
An der Kasse der Bürokratie verlangen sie knapp 50 Mark - nicht für die Schilder, wohlgemerkt, das ist für die drei Kreuze. Ich zahle und schwöre mir, es in die Welt hinauszuschreien: Seid nicht so blöd wie ich! Fahrt lieber ein Leben lang mit einem falschen Autokennzeichen herum! Und: Wählt keine Partei, niemals, auch nicht ins Europaparlament, die diese Unverschämtheit mit Namen „KFZ-Zulassungsbürokratie“ zu verantworten hat oder auch nur einen Tag länger duldet! K.W.
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