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Big Werder drängt auf die Kulturseite

■ Wie Werder Bremen zu einer eigenen Bigband samt Jazzschule kam und obendrein mit der Trompetenakademie (!) anbandelte: ein besonders lieblicher Fall von Windbestäubung

Unser Kulturleben steckt ja doch noch voll der Wunder, und gestern hat sich wieder eines offenbart. In den Worten des Pressetextes: „Die Trompeten-Akademie Bremen und der Werder Bremen Big Band e.V. gründeten im März 1994 die Trompeten-Akademie/Werder Konzertveranstaltungs GmbH Bremen“. Das lesen Sie jetzt bitte noch einmal, damit Sie auch was davon haben, und nun hören Sie, was diese GmbH auf die Beine stellen wird: Sie wird vom 31. August bis zum 8. September die „Internationalen Trompetentage 1994“ veranstalten. Sie wird eine erstklassige kleine „Trompeten-Akadamie“ zur stationären Ausbildung von Nachwuchstrompetern einrichten; auch ein Ort ist schon gefunden: der Keller des „Lichthauses“ auf dem alten AG-Weser-Gelände. Sie wird musikalische Projekte und Festivals aller Art anschieben, als erstes am 31. August ein großes Open-Air im Weserstadion, die sog. „Sommernacht der schönen Stimmen und Klänge“, wo u.a. der Trompeter Maurice André, die enorme Operndiva Montserrat Caballé und der Tenor Siegfried Jerusalem auftreten werden.

Die GmbH wird weiterhin die „Werder Bremen Bigband“ vermarkten und eine eigene Jazzschule gründen, aus der die Bigband frische Kräfte gewinnt, und die Leute werden sich schon noch daran gewöhnen, mit dem Unbegreiflichen zu leben: Was hat hier bloß das eine mit dem anderen, und was hat alles zusammen mit Werder zu tun?

„Aber das ist doch ganz einfach“, hieß es gestern auf der Pressekonferenz, nämlich so: Erstens leistet sich Werder Bremen nun einmal ab dato als einziger europäischer Fußballverein eine eigene Bigband fürs Renommee, basta. Zweitens braucht eine Bigband schon auch „ziemlich viele Trompeter“, wie Werders Erzpräsident Böhmert sagte. Dazu paßt drittens, daß es in Bremen seit Jahren eine „Trompetenakademie“ gibt, wenn sie auch jeweils nur ein paar Herbstwochen lang gedauert hat. Viertens aber „hat das natürlich auch damit zu tun, wer wen kennt“, wie der Filmproduzent (Tele Bremen) und ehemalige Staatsrat Hans Helmut Euler bekannte, der auch irgendwie mitmischt, und fünftens war sowieso bald kein Halten mehr, da es sich speziell um eine Männerfreundschaft handelte: Werderpräsident Böhmert („Wir hatten uns das ja schon ein bißchen kleiner vorgestellt“), Berufsdrahtzieher Euler, dazu der rastlose Trompeter Otto Sauter, nebenher Leiter der Trompetenakademie, diese drei also steckten die Köpfe zusammen, daß es nur so dampfte, und herausgekommen ist die liebreichste Zweckheirat seit den Zeiten, da sich der Einsiedlerkrebs in die Seeanemone verknallte.

Bloß der gegenseitige Nießnutz hält sich erst einmal in Grenzen: Die Studis der Akademie dürfen in der Bigband spielen, und die Bigband-Mitglieder dürfen sich an der Akademie fortbilden. Aber die Hauptsache ist ja doch, daß man prima Sachen organisiert, und schon die Pressekonferenz legte Zeugnis ab von der professionellen Schönheit des Vorgangs: Während der ganzen Konferenz wurde das Podium gefilmt und auf einer kleine Video-Leinwand neben dem Podium live übertragen; hinterher sah man da den ersten brandneuen computeranimierten Werder-Bremen-Bigband-Clip zum Zeichen, daß es nun ernst sei, und am Ende erschien die Bigband persönlich, hatte werdergrüne Schleifchen umgebunden und spielte drei rasante Stücke, so daß man nur sagen konnte: gestochen scharfe Bläsersätze!

Nun geht es noch darum, daß die neue Bigband „ein unverwechselbares Profil“ erhält, wie Otto Sauter sagte, aber daran arbeiten natürlich bereits „erstklassige Arrangeure aus Stockholm und Paris“, und selbst die Frage, wer das alles bezahlen soll, ist im Grunde gar keine Frage mehr: Die GmbH wird zur Hälfte vom „Werder Bremen Big Band e.V.“ gehalten, zur anderen Hälfte von den Einzelpersönlichkeiten des „Trompeten-Akademie Bremen e.V.“; der Fußballverein hat sich darüber hinaus natürlich nicht lumpen lassen, wenn auch in streng geheimer Höhe, und das übrige tun machtvoll die Sponsoren: Beck's, Yamaha und die Landesbank.

Ihren ersten offiziellen Auftritt wird die Bigband an besagtem 31. August im Weserstadion haben, und am selben Tag fangen auch schon die Trompetentage an. Da kommen 150 Trompeter aus aller Welt zusammen, geben Konzerte und Meisterkurse in punkto Klassik und Jazz, unter anderem eine „Jazz-Night“ mit Clarke Terry im Tivoli (6.9.) und ein Konzert mit dem Startrompeter-Ensemble „10 of the best“, geleitet wiederum von unserem Otto Sauter, welches im nächsten Jahr auf Tour durchs gesamte Bundesgebiet und das benachbarte Ausland gehen wird, auch dies natürlich „vermarktet“ von der Trompeten-Akademie/Werder Konzertveranstaltungs GmbH Bremen.

Da ist es freilich klar, daß die Initiatoren gedenken, keinerlei Subventionen zu verbraten, sondern vielmehr gute Geschäfte zu machen. Nicht weniger klar ist, daß die neue „Trompetenakademie“ bereits mit der renommiertesten japanischen Musikhochschule, geleitet von Seji Ozawa, folgenreich angebandelt hat und u.a. ein gemeinsames Orchester bestücken will. Alles andere wäre ja gelacht. Manfred Dworschak

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