■ Nichts Neues für Ausländer: Ein Jahr der Rituale
Als vor einem Jahr in Solingen fünf türkische Frauen verbrannten, übte sich der Senat im Betroffenheitsritual. Der Regierende Bürgermeister lud die Vertreter der Türkischen Gemeinde ins Rote Rathaus, sein Innensenator verstärkte die Präsenz der Uniformierten in Kreuzberg, die Ausländerbeauftragte versuchte den national- rassistischen Sprüchen der Bevölkerung mit provokativen Plakaten in U-Bahnen zu begegnen. Symbolische Übungen, die ein wenig mehr Geld kosteten als ursprünglich eingeplant. Die Struktur der Ausländerpolitik blieb davon unberührt. Nichts von dem, was die Türkische Gemeinde vor einem Jahr einklagte, wurde nur annähernd erfüllt. Für die doppelte Staatsbürgerschaft, die auf Bundesebene durch kräftige Stimmen aus den Ländern unterstützt werden muß, war in der Großen Koalition kaum mehr als ein Flüstern zu vernehmen. Der Innensenator, um publicity-wirksame Aktionen nicht verlegen, foppte die Öffentlichkeit mit einem kompetenzlosen Ausländerkoordinator der Polizei. „Business as usual“ wird an anderer Stelle geübt: Jüngst ließ die Justiz die Büros der Ausländerbeauftragten durchsuchen, um an einen Brief von Betroffenen zu gelangen, der der Berliner Polizei bei einer Abschiebung „Gestapomethoden“ attestierte. Von diesem Senat, so wurde den 140.000 Türken in der Stadt seit Solingen signalisiert, ist außer teilnahmsvollen Lippenbekenntnissen nichts zu erwarten. Gegenseitig aneinander gefesselt, verharren SPD und CDU auf einem Fleck und signalisieren ihrer Klientel: „Ihr braucht keine Angst zu haben, es bleibt alles beim Alten.“ Severin Weiland
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