Vorbereiten für die Zeit nach Joschka

■ Grüne Liste Hessen: Für gute Plätze je vier BewerberInnen

Frankfurt/Main (taz) – Trotz aller Verdrossenheit über PolitikerInnen streben offenbar immer mehr Menschen unverdrossen danach, PolitikerInnen zu werden – oder es zu bleiben. Für die Landesliste der hessischen Bündnisgrünen für die Landtagswahlen im Januar 1995 liegen dem Landesvorstand jedenfalls knapp 60 Bewerbungen um einen aussichtsreichen Listenplatz vor.

„Wir werden am Wochenende auf dem Landesparteitag in Griesheim wohl eine Nachtschicht einlegen müssen, um dem Andrang gerecht werden zu können“, orakelte in der vergangenen Woche der Landtagsabgeordnete Reinhold Weist, der sich gleichfalls erneut um ein Mandat bewirbt. Von der Rotation nach einer Legislaturperiode spricht im rot-grün regierten Hessen schon seit Jahren kein Mensch mehr. Und deshalb streben gleich sieben der zehn bündnisgrünen Abgeordneten dieser Wahlperiode erneut nach Sitz und Stimme im Landtag.

Im letzten rot-grün regierten Bundesland geht es heute für die Bündnisgrünen darum, die zu wählen, die in der Zeit nach Joschka Fischer, der in den Bundestag möchte, das Gesicht der Partei mit prägen sollen. Aussichtsreichster Kandidat sowohl für den ersten Männerplatz auf der Liste als auch für die direkte Nachfolge von Fischer auf dem Ministersessel ist der amtierende Fraktionsvorsitzende Rupert von Plottnitz (53). Für „Plotte“ kann sich die Arbeitsbilanz der rot-grünen Koalition durchaus sehen lassen – „trotz der Neigung der hessischen SPD, im Windschatten des Kleinmutes von Scharping wieder dorthin zurückzufallen, wo schon ein Helmut Schmidt gescheitert ist“. Auch daran, daß die amtierende Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (38), die Liste wie schon vor vier Jahren wieder anführen wird, zweifelt kaum eine(r). Nach der Wahl von Blaul und von Plottnitz prophezeien die Insider aus dem Landtag allerdings ein „Hauen und Stechen“ um die verbleibenden 13 aussichtsreichen Listenplätze. Mit denen ist dann zu rechnen, wenn es nach den Wahlen zu einer Fortsetzung der sozial- ökologischen Koalition in Hessen kommt. Denn dann werden wohl einige der gewählten Damen und Herren von ihren Sitzen im Landtag auf die Stühle am Kabinettstisch wechseln.

Von den knapp 60 BewerberInnen sind übrigens 1,8 Prozent ehemalige taz-MitarbeiterInnen: Jochen Vielhauer, Gisela Wülffing und Broka Herrmann, der sich mit der wohl originellsten schriftlichen Bewerbung leichte Vorteile für das Rennen um die Listenplätze erhofft. Klaus-Peter Klingelschmitt