Wo geht's nach Europa?

■ Bundestagsdebatte nach der Regierungserklärung des Kanzlers

Bonn (taz) – Noch unangenehmer als der Verlust einer Bundespräsidentenwahl gegen Kohls Kandidaten ist für den Oppositionsführer wohl nur die Aufgabe, gegen diesen Kanzler eine Europadebatte zu führen. SPD-Chef Rudolf Scharping zeigte gestern im Bundestag, wie man undankbare Aufgaben schlecht lösen kann.

Der Selbstdarstellung des Regierungschefs als Europameister im Einigungsprozeß ist nur schwer beizukommen. Die Grundaussage von Kohl heißt in seiner wenig abwechslungsreichen Rhetorik: Die konsequente Fortsetzung der Einigungspolitik ist „für uns Deutsche die Schicksalsfrage schlechthin“.

Das grundsätzliche Bekenntnis zu Europa ist im Bundestag auch nicht strittig. Sogar der Oppositionsführer lobte später, daß „auch Sie, Herr Kohl, Verdienste um Europa haben“.

Angriffspunkte hätte Kohls Rede genügend geboten: Der Kanzler brachte fast alle Wahlkampfthemen unter: Die deutsche Währung bleibt stabil, die Kriminalität wird auch bei offenen Grenzen bekämpft, eine gerechtere Lastenverteilung in der Asylpolitik muß her, und unsere deutsche Identität wird uns kein zentralistischer EU-Kommissar nehmen.

Scharping freilich folgte der Themensetzung des Kanzlers. Er lobte seine SPD als bessere Alternative in der Kriminalitätsbekämpfung, er warf der Regierung vor, sie hole von dem guten deutschen Geld, das nach Brüssel gehe, nicht genug zurück zum Aufbau der neuen Länder. Polemik-Experte Wolfgang Schäuble (CDU) bescheinigte Scharping daraufhin, er leite Wasser auf die Mühlen demagogischer Europafeinde.

Die Schwerpunktsetzung Scharpings ist so bekannt wie die Schicksalsrhetorik des Kanzlers: 20 Millionen fehlende Arbeitsplätze in Europa, 4 Millionen Arbeitslose in Deutschland führte der SPD-Chef gegen das heile Europa Kohls ins Feld. Wer für die höchste Staatsverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik verantwortlich sei, könne in Europa schlecht als Hüter der Stabilität auftreten. mon