Das große Möbelrücken

■ Der Wettbewerb für den Bahnhofsplatz steht bevor / Was man dem Platz keinesfalls antun darf - ein Gespräch

Was wäre das Schlimmste, was man diesem Platz antun könnte?

Wolfram Goldapp: Daß die Überdachung des neuen ZOBs vor der Post zu massiv als Gebäude herauskommt. Die Überdachung muß leicht sein, um vom Fühlen her den Platz als Fläche unter diesem Dach durchgehen zu lassen.

Damit man bis zur Post gucken kann?

Damit diese durchaus sehr schöne Post aus den 20er Jahren den räumlichen Abschluß bildet.

Aber ansonsten könnte man mit dem Platz machen, was man will, karierte Bodenfliesen legen, Bäume pflanzen, Bänke aufstellen...?

Wichtig ist, daß der Platz nicht zu stark möbliert wird – da gibt es ja in Bremen das schöne Beispiel Domshof, der vielen Wettbewerbsbeiträgen aus dem Jahr 1978 zum Trotz jetzt doch sehr leer geraten ist, vielen Leuten zu leer. Aber wenn er noch seinen Abschluß an der Violenstraße bekommt durch das geplante Cafégebäude, dann wird der Platzeindruck sehr angenehm sein.

Ein Platz muß also leer sein?

Am Domshof zum Beispiel hat man die Entlüftungsgebäude des Bunkers so flach gemacht, daß man heute praktisch drüber weg schaut.

Auf dem Bahnhofsvorplatz steckt ja auch hinter jedem Busch so ein Entlüftungskasten.

Richtig, da ist ebenfalls ein Luftschutzbunker drunter. Schöner wäre natürlich, man würde die ganz abtragen. Daß schon eine harmlose Möblierung die Raumwirkung eines Platzes völlig zerstören kann, sieht man ganz deutlich an den kleinen Kiosken zwischen Hotel und Bahnhofsausgang, da spürt man eine räumliche Kante, obwohl es sehr schmale, gläserne Gebäude sind. Das Überseemuseum als eigentliche Platzwand kommt gar nicht mehr zur Geltung.

Wichtig ist aber auch, daß die Platzfläche auch dort, wo Fahrspuren sind, mit einem einheitlichen Material und Muster ausgelegt wird und daß die Bordsteine nicht zu stark rauskommen.

Damit die Fußgänger trotz Bus und Straßenbahn das Gefühl haben, das ist alles unsers..

Richtig, ein großer Volksplatz.

Braucht ein Platz eine Mitte?

Bei einem rechteckigen Platz wie dem Domshof muß nicht unbedingt eine Mitte vorhanden sein, es können auch zwei Pole da sein, der Dom und der Brunnen und das Cafe zum Beispiel. Schön ist sicherlich, wenn ein Platz ein, zwei Orte hat, die ausgeprägt sind durch ein Denkmal, einen Brunnen, eine Vertiefung, eine Baumgruppe, damit er einen Schwerpunkt, egal ob asymmetrisch oder symmetrisch. Aber ein Dogma ist das nicht.

Eine Mitte wäre dann auch eine Aufgabe für den Wettbewerb...

Ja, allerdings planen deutsche Architekten häufig zu viel ein, in Italien geht man mit viel mehr Gelassenheit an solche Platzgestaltungen, läßt die Mitte vielleicht auch leer. Aber immerhin besinnen sich die deutschen Städte endlich auf ihre Kultur von Raumbildung. Die Raumlosigkeit der 50er, 60er und 70er-Jahre-Städte wie in der Neuen Vahr, wo es keine Plätze gibt, hat damit ein Ende.

Nun wird der Platz nicht nur aufgeräumt, sondern auch verkleinert durch einen Neubau gegenüber dem Bahnhof. Wird der Platz dann nicht zum Plätzchen?

Die Gefahr sehe ich überhaupt nicht. Ich finde es ganz richtig, daß man hier ein Gebäude hinsetzt, ein ganz ruhiges Gebäude allerdings mit einer einfachen, sauber gegliederten Fassade ohne viele Mätzchen. Man muß versuchen, der nicht besonders hohen Qualität des Mercure- und auch des Post-Hotels mit einer Fassade zu begegnen.

Also keine farbigen Fenster?

Keine pinkfarbigen oder blauen Fensterrahmen. Man sollte nichts Modisches bauen, sondern etwas Wertbeständiges.

Das Tivoli-Hochhaus – ist das wertbeständig, das ist ja auch ganz schlicht, ganz solide ...

Da würde ich doch sehr dran zweifeln, ob das wertbeständig ist. Das Hillmannhotel mit der geschwungenen Fassade und dieser etwas unglücklichen Proportionierung in den Fensteröffnungen ist sicher auch nicht wertbeständig, aber solch eine Fassade wie dieses einfache, eckige Gebäude am Hillmann-Platz, das finde ich schon recht ordentlich.

Braucht man nicht gegenüber dem Bahnhof was Visionäres, mindestens ein Flugdach...?

Wenn es gut gemacht ist, warum nicht. Man muß an der Ecke zur Bahnhofsstraße hin ohnehin irgendwie mit der Fassade klarmachen, daß hier der Zugang zur City ist, umso mehr, als man dann nicht mehr quer rüber zum Herdentorsteinweg gehen kann. Man könnte zum Beispiel von dem sechststöckigen Gebäude vier Geschosse als sogenannte Luftgeschosse setzen und einen Pfeiler auf die Ecke stellen oder ein Flugdach obendrauf – gerade auch für sowas ist der Wettbewerb sehr wichtig.

Müßte man für so ein Sahnestückchen wie das Gebäude und den Platz nicht offene Wettbewerbe ausschreiben? Das Bauressort will ja nur einzelne Architekturbüros ansprechen.

Nicht jede Aufgabe ist aber so groß und Bremen nicht so bedeutend, daß sich die besten Architekten Europas darum bemühen würden, wenn offen ausgeschrieben wird. Die haben genug zu tun in Berlin, Dresden, Leipzig, London und Paris. Die Gestaltung des Platzes selbst aber sollte schon offen ausgeschrieben werden.

Das Bauressort begründet seine beschränkte Ausschreibung damit, daß der offene Wettbewerb für die Umgestaltung des Rembertikreisels nicht gerade ergiebig war.

Der war offen ausgeschrieben in den norddeutschen Bundesländern, und es gab, glaub' ich, nur 21 Beteiligungen, das war für die Stadt damals schon ein bescheidenes Ergebnis. Aber zur Zeit läuft der Wettbewerb für den Promotion-Park. Und ich denke, daß die Stadt da mit Teilnahme und Ergebnis zufrieden sein wird.

Fragen: Christine Holch