Unsere Stimme kann nicht überhört werden

■ Die Aktivistinnen Susan Love und Susan Batt ermutigen Patientinnen zur Einmischung

Die Ärztin Susan Love machte in den USA den Brustkrebs zu einem politischen Thema. Sie war Mitbegründerin der National Breast Cancer Coalition, einer Basisorganisation, die mit ihren zum Teil spektakulären Aktionen eine drastische Erhöhung des Forschungsetats erreichte. Susan Love ist Leiterin des Brust-Zentrums der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Die Journalistin Susan Batt hat Brustkrebs. Sie gründete die Breast Cancer Action Montreal und ist Mitinitiatorin der kanadischen Brustkrebsbewegung.

taz: Warum gingen so viele Krebspatientinnen auf die Barrikaden?

Susan Love: Immer mehr Frauen packte der Zorn, daß Generationen von Frauen die gleiche Krankheit, die gleiche Behandlung und die gleiche Sterblichkeitsrate haben, daß Frauen immer noch die Brust amputiert bekommen, obwohl die brusterhaltende Operation die gleichen Überlebenschancen bietet, und daß uns Krebsvorsorge als Prävention verkauft wird, obwohl es nichts weiter als die mögliche Früherkennung von bereits vorhandenem Krebs ist. Und wir haben uns ein Beispiel an der Aids-Bewegung genommen, die es durch ihre Aktionen geschafft hatte, soviel Geld zu mobilisieren. Wir haben uns zusammengeschlossen, sind auf die Straße gegangen und haben innerhalb weniger Wochen 2,6 Millionen Unterschriften gesammelt, damit die Politiker endlich kapieren, wofür Steuerzahlerinnen wollen, daß ihr Geld ausgegeben wird.

Sie sagen, Brustkrebs sei eine politische Angelegenheit. Warum?

Susan Batt: Es sind so viele Frauen von Brustkrebs betroffen, und trotzdem ist in den letzten Jahrzehnten so wenig passiert. Das hängt doch auch damit zusammen, daß es bloß die Frauen betrifft. Und oft haben sich Frauen ihrer Narben geschämt, fühlten sich womöglich auch noch schuldig, weil man ihnen eingeredet hat, daß sie ihre Brust nicht häufig genug selbst untersucht haben, nicht zur Mammographie gegangen sind oder ein falsches Leben geführt haben und deshalb Krebs bekamen. Aber das ändert sich jetzt. Wir Frauen mit Brustkrebs werden mutiger.

Vor allem in den USA ist der Forschungsetat für Brustkrebs inzwischen um ein Vielfaches erhöht worden. Sind Sie damit zufrieden?

Susan Love: Geld allein reicht nicht. Wir Frauen müssen auch mitbestimmen können, wie das Geld vergeben wird. Wir brauchen nicht so viele Studien über Chemotherapie, Operationstechniken und Bestrahlung, sondern mehr Forschung über die Ursachen von Brustkrebs und wie man ihn verhindern kann. Auch andere Forschungsfragen müssen gestellt werden, z.B. inwieweit die Chemotherapie Frauen frühzeitig in die Wechseljahre bringt oder andere Symptome verursacht und wie diese behandelt werden können. Bislang interessierte die Forscher nur die Überlebensrate, aber nicht, wie es den Frauen dabei geht.

Susan Batt: Und wir brauchen eine ehrliche Forschung über alternative Methoden. Fast alle Frauen mit Brustkrebs, die ich kenne, machen neben der herkömmlichen schulmedizinischen Behandlung noch etwas anderes, zum Beispiel meditieren, visualisieren, sich anders ernähren. Das gibt ihnen das Gefühl, für sich selbst sorgen zu können, ein wichtiges Gefühl, das von Schulmedizinern oft nicht ernst genommen wird. Viele Ärzte wollen bestimmen, wo es langgeht. Sie errichten oft unnötige Mauern zwischen sich und den Frauen, indem sie alternative Methoden ablehnen.

Haben sich die Forschungsziele bereits verändert?

Susan Love: Ja. Mehr Studien beschäftigen sich inzwischen mit Prävention, zum Beispiel mit der Ernährung bei älteren Frauen, für jüngere müßte es noch untersucht werden. Dann untersucht eine große Studie auf Long Island den Zusammenhang von Umwelt und Brustkrebs. Trotzdem finde ich, daß noch mehr Brustkrebspatientinnen auf den unterschiedlichen Entscheidungsebenen beteiligt werden müßten. Das versuchen wir gerade durchzusetzen.

Susan Batt: Psychosoziale Aspekte haben bislang in der Forschung keine Rolle gespielt. Jetzt fangen die Mediziner allmählich an, uns zuzuhören.

Werden denn die Brustkrebspatientinnen von den Wissenschaftlern akzeptiert?

Susan Batt: In Kanada hören uns zwar Mediziner inzwischen mehr zu, aber wenn es darauf ankommt, konkret mitzubestimmen, wollen sie uns nicht mehr dabeihaben. In den USA werden die Brustkrebsfrauen schon deshalb mehr akzeptiert, weil sie viel Geld für die Wissenschaft organisiert haben, deswegen kommt man nicht so leicht an ihnen vorbei. Trotzdem: Wir haben uns eine Stimme gegeben, und die kann nicht mehr so leicht überhört werden.

Susan Love: Um nicht zu euphorisch zu sein: Auch bei uns gibt es noch viel Widerstand auf seiten der Mediziner und Wissenschaftler. Es macht sie nervös, Brustkrebspatientinnen in die Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Doch wenn sie sich erst mal darauf einlassen, dann merken sie, daß es doch nicht so beängstigend ist und daß alle doch schließlich die gleichen Ziele haben, nämlich den Brustkrebs zu verhindern. Interview: Eva Schindele