Bei Geldscheinflattern: Überteuerte Herzklappen

■ Schwere Korruption in fünfzig Herzkliniken

Hamburg (AP/dpa/taz) – Es beginnt mit Kugelschreibern, Buchgeschenken und Gratismedikamenten für die Medizinstudenten. Später kommen dann die kalten Buffets dran, die Theaterkarten und die Reisen in die Karibik. Bestechend gut war es wohl schon immer, das Verhältnis zwischen Ärzten und medizinisch-industriellem Komplex. Eine bislang unbekannte Qualität hat jedoch der Korruptionsskandal, dem die Krankenkassen jetzt auf die Spur gekommen sind: Chefärzte und Verwaltungsleiter an 50 der 51 hiesigen Herzkliniken stehen im Verdacht eines Millionenbetrugs, der über Schweizer Nummernkonten abgewickelt wurde. Sie sollen Schmiergeldzahlungen von Herzklappenherstellern angenommen und zu Lasten der Kassen abgerechnet haben.

Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Gert Nachtigal, sagte, es lägen Beweise vor, daß statt des realistischen Preises für ein Herzklappenimplantat von 1.000 bis 1.500 Mark bis zu 6.000 Mark berechnet wurden. Davon blieben zwischen 1.500 und 3.000 Mark bei den Ärzten hängen. Laut Nachtigal ging die Tat-Energie dabei keineswegs nur von den Herstellern aus.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, bezeichnete die Vorwürfe hingegen als „Lynchjustiz“. Versagt hätten vielmehr die Kassen und die Aufsichtsgremien der Kliniken.

Der AOK-Bundesverband beziffert den Schaden, der allein aufgrund weit überteuerter Herzklappen entsteht, auf jährlich 45 Millionen Mark. Wenn sich der Verdacht bestätige, daß auch andere Implantate wie künstliche Gelenke betrügerisch abgerechnet worden seien, könne der Schaden gar zwischen einer und zwei Milliarden Mark liegen.

Die Angestellten-Krankenkassen fordern nun als Konsequenz aus dem Schmiergeldskandal, daß die vom Bundeskabinett beschlossenen „Fallpauschalen“, die die Kliniken für Operationen erhalten sollen, um mindestens zehn Prozent abgesenkt werden. Seite 10