Richtiges Bremsen muß gelernt sein

■ Verkehrswacht fürchtet um Zukunft des Übungsplatzes in Rothenburgsort Von Kai von Appen

Muß der Verkehrsübungsplatz in Rothenburgsort dichtmachen, weil ein fiktiver Mietkostenzuschuß von 193.000 Mark aus der Innenbehörde gestrichen werden soll? Die Landesverkehrswacht Hamburg, die den Platz betreibt, schlägt Alarm. Ihr Chef Hans-Jürgen Voigt: „Ein völlig unüberlegter Schritt und ein Affront gegen Kinder, Lehrer, Eltern, Fahrschüler und Fahrlehrer. Die gesamte Verkehrssicherheitsarbeit ist in Gefahr.“

Es handelt sich um eine Einrichtung mit Tradition. Seit 1951 veranstaltet die Verkehrswacht in Rothenburgsort Trainings, die beim ständig zunehmenden Verkehr in Hamburg und Umgebung immer größere Bedeutung bekommen. Viele Frauen und Männer halten sich für vorsichtige und routinierte AutofahrerInnen. Doch in unerwarteten brenzligen Situationen kommt es auch bei ihnen zu krassen Fehlreaktionen, der lähmende Schreck führt zu Unfällen.

Beispiel 1: Frank W. ist flott auf der Landstraße auf Ausflugstour. In der Ferne taucht eine Rechtskurve auf. Frank W. unterschätzt die Biegung und nähert sich ihr in viel zu hohem Tempo. Anstatt das Auto per Stotterbremsung abzustoppen, um dann in der Kurve durch leichtes Beschleunigen den Frontantrieb-Wagen trotz Fliehkraft sicher „herauszuziehen“, macht er. eine starke Dauerbremsung. Die Schwerkraft drückt das Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn. Wäre ein anderer Wagen entgegengekommen, hätte diese Situation tödlich sein können.

Beispiel 2: Susanne D. befährt bei Regen die Autobahn. Plötzlich drängelt sich ein Wagen dicht vor sie und zwingt sie zum Bremsen. Statt auch in diesem Fall das Auto stotternd zu verlangsamen und dann die Bremse zu lösen, um den Wagen rechts an dem Rowdy vorbei auf die Standspur zu lenken, tritt Susanne voll aufs Pedal und kuppelt zu allem Unglück vor Schreck auch noch aus. Mit blockierten Reifen glitscht ihr Wagen steuerunfähig und ungebremst auf das Vorderfahrzeug.

Auf solche „klassischen“ Gefahrensituationen, in denen Bruchteile von Sekunden entscheidend sind, bereitet die Verkehrswacht vor. Allein 1993 fanden 230 Kurse mit 2600 TeilnehmerInnen statt. Neuerdings können auch autofahrende Berufsschüler derartige Kurse als Wahlpflichtfach besuchen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit in Rothenburgsort ist die Verkehrserziehung für SchülerInnen - unter anderem das Mofa-Projekt. 30.000 Kids besuchten in 14 Jahren die Sechs-Wochen Kurse, in denen sie auf den Umgang mit den führerscheinfreien Fahrzeugen vorbereitet wurden – im vorigen Jahr waren es allein 2500 Jugendliche. „Es wird Mofa gefahren wie in einer Fahrschule“, erläutert Voigt. „Ein weiterer Schwerpunkt der Schulung liegt aber in der Sicherheitzserziehung sowie bei der Schaffung von Umweltschutzbewußtsein und Sozialverhalten.“ Und, so Voigt weiter: Viele Schüler beschließen nach dem Seminar, sich lieber doch kein Mofa zu kaufen: „Der Mofa-Kurs ist somit zugleich ein Anti-Mofa-Kurs.“ Ein besonderer Clou ist das gerade angelaufene Projekt mit umweltfreundlichen Elektro-Solar-Mofas. Voigt: „Beim Fahren hört man von den Mofa nichts.“ Dafür sei die Verkehrswacht jüngst von Schulsenatorin Roseamrie Raab gelobt worden.

Jetzt sieht Hans-Jürgen Voigt all diese Schulungen in Gefahr - weil die Innenbehörde sparen muß. Der Hintergrund: Die Miete des stadteigenen Verkehrsübungsplatz wurden bislang von der Finanzbehörde der Innenbehörde in Rechnung gestellt. Diesen Posten möchte Innensenator Werner Hackmann nun aus seinem Etat streichen. Voigt ist darüber besonders erbost, weil es sich um einen fiktiven Posten handele: „Das Paradoxe ist, daß der Mietzuschuß nur auf dem Papier zwischen Finanz- und Innenbehörde hin- und herwanderte. Die Stadt spart keinen Pfennig.“

Im Gegenzug aber fördert die Verkehrswacht - die noch 1993 in einem internen Hackmann-Papier als „unverzichtbar“ gelobt wurde – Verkehrserziehungsprojekte in Hamburg jährlich mit 250.000 Mark, Mittel, die in anderen Bundesländern von der öffentlichen Hand aufgebracht werden. Jetzt noch die Miete zu bezahlen, so Voigt, damit sei die Verkehrswacht schlicht überfordert.