Handelskammer und Jäger: Liebesentzug

■ Wenn die Martinistraße verengt wird, will die Kammer gegen die Sanierung schmollen

Der Krach um die City-Planung hat eine neue Eskalationsstufe erreicht: Nachdem Wirtschaftssenator Jäger in der vergangenen Woche heftig gegen das Innenstadt-Gutachten aus dem Bauressort polemisiert hat, hat sich gestern die Handelskammer voll und ganz hinter Jäger gestellt. Dabei drohte der Handelskammer-Vizepräses Messerknecht mit Liebesentzug: Wenn sich der Senat hinter das Schnüll-Gutachten aus dem Bauressort stellt und damit gegen die Pläne des Wirtschaftssenators, „dann müssen wir unsere Position zum Sanierungskonzept noch einmal überprüfen“. Im Klartext heißt das, dann wird die Handelskammer ihre Unterschrift unter die „Bremer Erklärung“ zur Rettung der maroden Staatsfinanzen zurückziehen. Der Wirtschaftssenator saß schweigend daneben.

Kammer und Wirtschaftssenator betonten gestern noch einmal, wie deckungsgleich die Vorstellungen doch seien. Messerknecht: „Der Wirtschaftssenator hat ein Entwicklungskonzept vorgelegt, das im wesentlichen auf Vorschlägen der Handelskammer beruht. Wir unterstützen dieses Konzept uneingeschränkt.“ Vor allem in einem Punkt unterscheiden sich die Vorstellungen der Kammer und Jägers von denen, die im Gutachten des Hannoveraner Planers Schnüll für das Bauressort entwickelt worden sind. Schnüll will die Martinistraße auf zwei Fahrspuren zurückbauen und den Durchgangsverkehr auf die Neustädter Oster/Westerstraße und den Wall verdrängen. Dagegen Planung Jäger: Die Straßenbahn wird von der Obernstraße in die Martinistraße verlegt, daneben bleiben zwei Fahrspuren für den gezielten Innenstadtverkehr, der Durchgangsverkehr wird in den Untergrund verlegt. Zwischen Osterdeich und Faulenstraße soll ein Tunnel entstehen. Kostenschätzung: 150 Millionen Mark, dazu rund 40 Millionen für die Gleisverlegung. Messerknecht: „Ein Paukenschlag.“ Auch die Innenstadt lebe vom Durchgangsverkehr, und „der Hafen muß weiter angefahren werden können“.

Die Reaktionen auf den Vorstoß waren eher verschnupft. Baustaatsrat Jürgen Lüthge: „Wir werden am 10 Juni zusammen mit dem Wirtschafts- und dem Umweltressort versuchen, aus dem Schnüll-Gutachten eine gemeinsame Vorstellung zu entwickeln.“ Ende der Durchsage. Und Umweltsenator Ralf Fücks: „Noch ist Claus Jäger in einer Koalition mit der SPD und den Grünen und nicht mit der Handelskammer. Mit einem Tunnel für 6.000 Fahrzeuge wird nur noch mehr Verkehr auf den Osterdeich und die Faulenstraße gezogen. Reine Geldverschwendung.“

Jäger kündigte unterdessen an, ein Rückbau der Martinistraße sei mit ihm nicht zu machen. Dann solle schon lieber der status quo erhalten bleiben. „Keine Einigung wäre mindestens keine negative Weichenstellung. Der Bremer Innenstadt fehlen zig-tausend Fahrzeuge.“ Und genau so sieht das auch die Handelskammer. Die Formel: Wer den Autoverkehr verdrängt macht der Innenstadt den Garaus, und das kann gar nicht in Übereinstimmung mit dem Sanierungsprogramm sein. Messerkenecht: „Der Kunde sagt, ich fahr da hin und lade ein.“ Jochen Grabler