Unterm Strich

Die Idee, eine „Criminale“ ins Leben zu rufen, bei der sich wie an diesem Wochenende die Spezialisten über literarischen Mord und Totschlag austauschten, ist doch eigentlich eine sehr schöne Sache. Doch die Verhältnisse sind nicht danach: „Das Syndikat“, die Versammlung der bekanntesten Krimiautoren im deutschsprachigen Raum, wurde bereits Mitte der achtziger Jahre mehr aus Trotz gegen das Bochumer Krimi Archiv (BKA) und deren Vergabe des Krimipreises ins Leben gerufen. So klopfen sich auf der „Criminale“ H.P. Karr, -ky und Co. eher gegenseitig auf die Schulter, als daß man sich wirklich neue Wege zur Tötung ausdenken würde. Entsprechend schmal auch die Perspektive: Nur mehr Leichen und Lokalkolorit bestimmen den Trend im deutschen Krimi. Wie so oft hofft man auf neue Killerphantasien aus Amerika. „In den USA entwickelt sich manches, was bei uns etwas später kommt“, meint Revierautor Reinhard Junge. Dort sind die Thriller derzeit realitätsnahe. Dabei könnte doch alles sich so lokal aus dem Leben gegriffen einfach, still und leise zueinander im Gruseln fügen, wie heute etwa in der feinfühligen Überschrift der BZ, als da stand: „Honecker tot. Grab in Berlin?“ und später: „Margot H. läßt ihn heute verbrennen. Wohin mit der Asche?“ Nun, die erste Frage würden wir hier alle sehr gerne bejahen, bei der zweiten raten wir mal – vielleicht an die Russenmafia? Oder zurück zur Treuhand?

Die spinnen, die Choriner: Da haben sie ihren Musiksommer noch aus DDR-Zeiten herüberretten können, und jetzt lassen sie das Volk über ihre frühgotische Klosterruine bei Eberswalde hereinbrechen. Die Verhältnisse sind leider so: Auf Campingliegen lungern freie und unterbehemdete Bürger im Klosterinnenhof herum, grillen zu jeder Tageszeit und toben liebestoll auf dem Rasen, während das Berliner Sinfonie-Orchester sich an einer flotten Nummer von Tschaikowski die Finger steifspielt. Schreckensszenen, die dpa-Mitarbeiter Peter Dietrich nur mit Mühe fassen kann: „Vom Krabbelkind über den älteren Herrn vom Typ Sparkassendirektor bis hin zum Punk mit rot-grüner Irokesenfrisur ist so ziemlich das gesamte gesellschaftliche Spektrum vertreten.“ Dabei hört man doch förmlich das Klappern der Stricknadeln in einer kurzen Pause zwischen den ersten Sätzen von Schuberts Unvollendeter. Womöglich wurde schon das einführende Unisono der Geigen von einigen Besuffskis mitjefiffn, die einmal richtig in Stimmung auch Beethovens Tatatatamm nachfurzen würden. Kurzum: Blockflöten zu Baseballschlägern. Und dann stellt sich auch noch Brandenburgs Kulturminister Hinrich Enderlein (FDP) schützend vor das Festival, und sagt eine finanzielle Unterstützung durch das Land für dessen SPD-stadtteilfestähnliche Klassik- Betreiber zu, als hätte er mit den Knaben aus der Finanzabteilung im selben Chor gesungen.