■ Wenn Diplomatie kriegsverlängernd wirkt
: Auf den „killing fields“ von Ruanda

Man kann der UNO in bezug auf das Grauen in Ruanda viele Vorwürfe machen. Sie hat in dreieinhalb Jahren Bürgerkrieg immer erst dann an einer Konfliktlösung Interesse gezeigt, wenn die ruandische Regierung gerade von militärischer Niederlage bedroht war. Sie hat im Sommer 1993 zweieinhalbtausend Soldaten geschickt, um ein Friedensabkommen abzusichern, obwohl kein Beobachter ernsthaft glaubte, daß die radikaleren Teile der Regierung und des Militärapparates dessen Umsetzung zulassen würden. Als der Präsident dann im April ums Leben kam und genau jene Radikale binnen Stunden nach vorbereiteten Plänen begannen, ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner zu Tausenden umzubringen, zog die UNO ihre Soldaten einfach ab. Als sich in dem darauffolgenden neuen Krieg dann die endgültige Niederlage der mordenden Regierungsmilizen im Kampf gegen die vergleichsweise friedvolle Rebellenbewegung RPF abzeichnete, wollte die UNO ihre Soldaten plötzlich wieder zurückschicken. Und nun, wo die Mörder geschlagen aus der ruandischen Hauptstadt abziehen, will die UNO partout auf dem Verhandlungsweg einen „Waffenstillstand“ durchsetzen, der zwar keinen Milizionär am Töten wehrloser Zivilisten hindert, wohl aber den militärischen Erfolg der RPF und die dadurch sich abzeichnende Möglichkeit einer Befriedung weiter verzögert.

Man kann all diese Vorwürfe machen, und dennoch ist nicht die UNO allein an diesem Debakel der Diplomatie schuld. Vor allem Washington hat durch systematische Obstruktion verhindert, daß die UNO klar sagte, was in den vergangenen Wochen einzig wirkungsvoll gewesen wäre: daß der Völkermord in Ruanda nicht nur beobachtet und verurteilt werden darf, sondern daß in den Regionen, wo keine direkten Kämpfe stattfinden, Schutz von Zivilisten möglich ist und auch der Wille dafür existiert. Statt dessen wurde mit vielen Vorbehalten die Entsendung einer Blauhelmtruppe mit unklarer Aufgabe zu unbestimmter Zeit beschlossen. Und durch den Eindruck, sie wollten diese Blauhelmtruppe weder ausrüsten noch transportieren, noch finanzieren, haben die USA dazu noch andere Länder von festen Truppenzusagen abgehalten. Das Somalia-Trauma war für Clintons Außenpolitiker offenbar nicht bloß die Feuertaufe, sondern hat auch eine äußerst unglückliche paradigmenbildende Wirkung.

Vermutlich wird trotzdem irgendwann diese Woche die RPF Kigali vollständig einnehmen und dann ihren Sieg verkünden. Die regierungstreuen Mörderbanden, letztes Überbleibsel der zerfallenen ruandischen Militärdiktatur, werden sich auflösen oder nach Burundi und Zaire verschwinden. Eine neue Regierung wird dann vor der schweren Aufgabe stehen, die Kriegsflüchtlinge heimzuführen und die Rachegelüste zu besänftigen. Und UNO-Emissäre werden auf Ruandas killing fields vom Frieden reden. Dominic Johnson