Ich bin eine Dose

Duales System produziert Aktenchaos bei Verpackungen / Länder genehmigen auf der Basis von Vermutungen trotzdem Weiterbetrieb  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Das Duale System Deutschland darf in Niedersachsen auch im kommenden Jahr gebrauchte Plastikverpackungen weiter einsammeln. Trotz erheblicher Bedenken und, wie es im Ministerium hieß, auf der Basis von Vermutungen genehmigte die SPD-Landesregierung in Hannover den Weiterbetrieb des Systems für ein weiteres Jahr. Auch das Saarland hat die Freistellung verlängert, obwohl das DSD die gesetzlich vorgegebenen Quoten dort nicht erfüllt. Die Landesregierungen in Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg haben nach Angaben des DSD diese Genehmigung inzwischen unbefristet erteilt.

Die Landesregierung in Hannover hatte bis zuletzt gezögert, dem Dualen System den Weiterbetrieb zu gestatten. Hauptgrund: Die in sieben Aktenordnern zusammengefaßten Angaben des DSD zu den Mengen angelieferter und sortierter Verpackungen schienen dem Ministerium in Hannover vorne und hinten nicht zu stimmen.

„In dem Zahlenwerk stimmen einige Mengen nicht“, gab der zuständige Abteilungsleiter im niedersächsischen Ministerium, Konrad Keller, auch gestern noch zu Protokoll. Das DSD hatte gegenüber dem Ministerium in Hannover angegeben, zwischen Frühjahr 1993 und Frühjahr 1994 174.000 Tonnen Leichtverpackungen aus Aluminium, Weißblech, Plastik und Verbundstoffen gesammelt zu haben. Eine Überprüfung in niedersächsischen Städten und Gemeinden ergab allerdings, daß sich die angefallenen Mengen nur auf 111.000 Tonnen summierten.

Auch beim DSD bestreitet man nicht, daß es nicht nur Schwierigkeiten mit dem Einsammeln der Verpackungen, sondern auch mit den Zahlen gab. „Jedes Umweltministerium hatte Nachfragen zu den Zahlen“, so eine Sprecherin. Allerdings seien die Probleme im wesentlichen ausgeräumt. Schwierigkeiten bei den Verpackungen selbst gebe es vor allem beim Aluminium, zum Beispiel Kaffeetüten. Dagegen läuft auch nach Angaben von Experten das Recycling der Getränkeverbundkartons (Tetra pak) erstaunlich gut.

Was ist stoffliche Verwertung?

Heftigen Streit gibt es hinter den Kulissen der Ministerien um die Art des Recycling. Die Verpackungsverordnung schreibt zwar das stoffliche Recycling vor, sagt aber nicht, welche Verfahren dazu gehören. Kann die großtechnische Anlage der Veba zur Pyrolyse in Bottrop Plastik stofflich verwerten? Wie ist es mit der geplanten Anlage von BASF in Ludwigshafen?

Ohne solche Anlagen ist die von der Verpackungsverordnung vorgeschriebene Kunststoffverwertung in der Bundesrepublik nicht zu gewährleisten. Auch beim Aluminiumverwerter Alunova in Bad Säckingen hatte das Stuttgarter Umweltministerium Zweifel angemeldet, ob es sich bei der Pyrolyse von Aluverbundverpackungen um eine stoffliche Verwertung handelt. Weil sich Bund und Länder darüber überhaupt nicht klar werden konnten, gaben sie im Sommer 1993 ein Gutachten beim Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag. Das UBA sollte eine Energiebilanz der einzelnen Anlagen erstellen, also überprüfen, wieviel der in den Verpackungen enthaltenen Energie mit den verschiedenen Verfahren wiedergewonnen wird. Das Gutachten liegt nach einigem Hin und Her inzwischen im Bonner Umweltministerium, ist aber bislang noch nicht veröffentlicht. Im UBA räumt man ein, daß es Schwierigkeiten gegeben habe. Das Bundesumweltministerium habe den ersten Entwurf des Gutachtens noch einmal zum Überarbeiten zurückgeschickt, so UBA-Sprecher Holger Brackemann. Probleme gab es auch, weil Expertisen, die vom DSD zur Verfügung gestellt wurden, dem UBA mangelhaft schienen. Das Ergebnis ist mager: „Eine Öko-Bilanz der verschiedenen Verfahren war sowieso nicht möglich. Dazu fehlen uns alle Daten.“