Bis zu zehn Millionen „keine Seltenheit“

■ Gemunkelt wurde schon lange, daß es bei den Kosten im Gesundheitswesen nicht immer mit rechten Dingen zugeht

Sie gehören zu den Spitzenverdienern: Zwischen 250.000 und 500.000 Mark liegt der Jahresverdienst eines Chefarztes in der Bundesrepublik. Nach Angaben des Vorsitzenden des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, sind aber Einkommen „bis zu zehn Millionen Mark im Jahr“ an den Universitäten „keine Seltenheit“. Doch einigen „Halbgöttern in Weiß“ scheint das nicht zu reichen. Was liegt da näher, als sich nach einem „Nebenverdienst“ umzuschauen?

Gemunkelt wurde schon lange, daß es bei den Kosten im Gesundheitswesen nicht mit rechten Dingen zugeht. Der Nachweis war aber oft schwer zu führen. Daß die Spitzenverbände der Krankenkassen mit ihrem Vorwurf, die bundesdeutschen Herzspezialisten würden auf Kosten der Kassen in die eigene Kasse wirtschaften, voll ins Schwarze getroffen haben, zeigen die ersten Meldungen aus Niedersachsen. Mit bis zu 3.000 Mark, einer exklusiven Urlaubsreise oder einem Bündel Aktien mußten die Firmen Chefärzte bestechen, damit sie den Lieferauftrag für Herzklappen auch bekamen. Die Mehrkosten wurden dann der Klinik in Rechnung gestellt. Bezahlen mußten das letztendlich die Krankenversicherten mit ihren Beiträgen. „Es ist sicher nicht so, daß der Arzt alleine entscheidet, wer einen Lieferauftrag für Implantate bekommt“, so der Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Peter Ossen. Aber es sei „ganz klar“, daß der Arzt ein entscheidendes Wort mitzureden habe. Der Arzt entscheidet, welche die beste Herzklappe ist, er muß die fachliche Begutachtung abgeben. „Wenn er sagt, diese Herzklappe muß es sein“, so Professor Wilhelm Hartel von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, „dann teilt er das der Klinikverwaltung mit. Und die muß sich dann darauf verlassen.“

„Das sieht ganz nach einem Kartell aus“

Die Verwaltung hat zwar die Aufsicht für die finanzielle Seite der Behandlung, aber wenn der Chefarzt seine Wahl mit fachlichen Argumenten begründet, muß sie sich der Kompetenz beugen. Für den Sprecher der Krankenhausgesellschaft können die beschuldigten Ärzte nicht die einzigen Schuldigen sein. Er wundert sich, warum alle Anbieter von Herzklappen die gleichen Preise verlangen. „Das sieht ganz nach einem Kartell aus“, so Ossen. Wenn bei den Preisen „soviel Luft drin ist“, fragt er sich, warum ist es dann nicht zu einem „Preiskampf“ unter den Anbietern gekommen. Man müsse überlegen, „ob hier nicht Absprachen der Industrie vorlagen“.

Aber auch den Krankenkassen macht Ossen Vorwürfe: Er vermutet, daß sie den Skandal jetzt ganz bewußt lanciert haben. Am 10. Juni wird im Bundesrat über die Bundespflegesatzverordnung diskutiert. Mit ihr sollen Pauschalbeträge festgelegt werden, die die Krankenkassen für eine Herzoperation an die Kliniken zu zahlen haben. Die Kliniken müssen dann selbst zusehen, wie sie mit dem festgelegten Betrag auskommen. Eine konkrete Summe für Herzklappen ist in der Pauschale nicht vorgesehen. Kein Mensch wisse, so Ossen, wie sich der Betrag letztendlich zusammensetzt. Mit ihren „Pauschalvorwürfen“ gegen die Ärzteschaft der Herzkliniken haben die Kassen es auf den Pauschalbetrag abgesehen. Wolfgang Löhr