Prügel auf dem Gänsemarkt: Reine Racheakte?

■ Anzeigen gegen Polizisten erstattet / Kritik von GAL und IG Medien

Die Polizei-Übergriffe auf Gegendemonstranten und Journalisten während der Haider-Kundgebung am Montag auf dem Gänsemarkt wird ein politisches und strafrechtliches Nachpiel haben. Mehrere Opfer werden Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstatten. In einer Erklärung fordert die IG Medien Innensenator Werner Hackmann zur „Klärung der Vorfälle“ und zu einem Gespräch auf. IG Medien-Sprecherin Sigrid Meißner: „Herr Hackmann hat die prügelnden Polizisten zur Rechenschaft zu ziehen und dafür Sorge zu tragen, daß die Übergriffe auf Journalisten endlich aufhören.“

Im Verlauf der Kundgebung des „Bund Freier Bürger“ mit dem österreichischen Nationalisten Jörg Haider war es zu brutalen Prügelorgien gekommen (taz berichtete). Als Farbbeutel und Eier auf den Rechtsradikalen flogen, gingen zivile Greiftrupps mit Reizgas gegen Unbeteiligte vor und lösten eine Schlägerei aus. Mehr als ein Dutzend Menschen wurde verletzt, selbst ein Zivilpolizist war im Durcheinander von seinen eigenen Kollegen mit Reizgas eingedeckt worden. Polizeisprecher Werner Jantosch verteidigt den Einsatz: „Die Beamten wollten Festnahmen tätigen und sind massiv von Demonstranten angegriffen worden.“

Was Jantosch unterschlägt: Niemand der Protestler konnte wissen, daß es sich um PolizistInnen – die zunächst von Reportern als Neonazis klassizifiziert worden waren - gehandelt hatte. So erging es auch Rene K.: „Plötzlich kamen vier Typen auf mich zu und sprühten mit Reizgas. Es ist in keiner Form „Polizei“ gerufen oder eine Warnung gegeben worden. Da ich nicht mehr zurück konnte, hab ich einem einen Tritt versetzt.“ Er wurde von mehreren Männern gepackt und zu Boden gerissen. Erst als ihm Handschellen angelegt wurden und der Kommentar fiel: „Das haste davon, wenn du Kollegen verhaust“, sei ihm bewußt geworden, daß es sich um Polizisten handelte. Rene K. trug zwei blaue Augen, zahlreiche Rückenprellungen und ausgekugelte Armgelenke davon.

Schwere Verletzungen erlitt auch der WDR-NDR-Rundfunk- und Fernsehjournalist Oliver Neß. Er wird Strafantrag gegen die Polizei stellen. Neß war – wie berichtet – von Zivilpolizisten zusammengeschlagen worden. Bilanz: Prellungen und vermutlich ein Bänderriß, der demnächst operiert werden muß.

Inzwischen verdichten sich Informationen auch aus Polizeikreisen, daß es sich um eine bewußte Attacke gehandelt habe. Sigrid Meißner: „Es besteht der begründete Verdacht, daß es sich um einen Racheakt gehandelt hat. Oliver Neß hat in seiner Arbeit sehr häufig die Polizei kritisiert.“ Auch die GAL-Fraktionsvorsitzende Krista Sager glaubt nicht an einen Zufall: „Ich glaube, daß ein unbequemer Journalist gezielt von mehreren Polizisten überfallen wurde.“

Kai von Appen