■ Ein Dialog zum Welt-Nichtrauchertag
: Friedliche Koexistenz

Wenn Nichtraucher übers Rauchen schreiben, dann ist das etwa so, als würde ein Abstinenzler Bouquet und Geschmack eines 82er ChÛteau Lafite beschreiben. Sagt der Kollege W. und zündet sich eine an. Wenn Raucher übers Rauchen schreiben, dann könnte man auch der Cosa Nostra die Verbrechensbekämpfung übertragen. Sagt der Kollege M. und nölt über die Zigarettenstummel im Übertopf der Kentiapalme howeia belmoreana. Ihr Nichtraucher habt doch 365mal im Jahr Nichtrauchertag, worüber regt ihr euch eigentlich auf? Fragt der Kollege W. und nimmt einen kräftigen Zug. Wenn ich mit einer Dampflok wie Dir in einem Raum sitze, habe ich 365 mal im Jahr ein stinkendes Büro mit einem Giftcocktail aus zweieinhalbtausend hochtoxischen Substanzen und unkalkulierbaren Synergieeffekten. Triumphiert M. und entfernt mit spitzen Fingern den Aschenbecher von seinem Beistelltisch.

Sag mal, hast Du morgens nach dem Aufstehen eigentlich immer noch diese Atembeschwerden? Fragt M. sehr einfühlsam und bläst den Qualm zur Seite. Mir geht es glänzend. Nuschelt der als Hypochonder stadtbekannte W. und pumpt seinen Brustkasten auf. Und dieses Stechen in der Herzgegend, Du wolltest doch mal zum Kardiologen, ich würde das nicht auf die lange Bank schieben. Rät M. brüderlich und legt die Stirn in tiefe Sorgenfalten. Du hast doch selber genug Probleme, schöne Grüße von Deiner Bauchspeicheldrüse. Giftet W. und bläst genüßlich ein Wölkchen in den Bürohimmel. Das ist eine angeborene Ganglienverengung, mit jeder Zigarette würde sich das dramatisch verschlimmern. Sagt M. und zerwedelt mit der Hand den anfliegenden Rauch.

Bei bestimmten Krankheiten ist Rauchen nachweislich protektiv, da gab es erst kürzlich eine Untersuchung im „New Scientist“. Berichtet W. und läßt das Feuerzeug durch seine Hände gleiten. Das sind eure üblichen Rationalisierungen, bei einem hilft's, bei 80 anderen wächst ein Raucherbein und ein Rudel Karzinome. Entgegnet M. und bittet höflich um sofortige Öffnung des Fensters. Der Rauch zieht übrigens immer zu den Nichtrauchern, das haben Langzeitstudien ergeben. Spottet W. und betrachtet die abbrennende Kippe. Bei unserem ersten Treffen hast Du noch höflich gefragt, ob Du Dir ausnahmsweise mal eine anzünden darfst. Erinnert sich M. und zieht den Fensterflügel noch weiter auf.

Mich friert. Empört sich W. und drückt seine Zigarette aus. Der Rauch ist noch nicht abgezogen. Diagnostiziert M. und hält den Fensterflügel fest. Sucht ist eine anthropologische Konstante. Doziert W. und schiebt den Aschenbecher beiseite. Und Gesundheit ein täglicher Kampf. Sagt M. und schließt das Fenster. Ich gehe einkaufen, brauchst Du was? Fragt M. und geht zur Türe. Du könntest mir ein Päckchen „Dunhill“ mitbringen. Sagt W. und grinst. Manfred Kriener