■ Zur Föderation zwischen Kroatien und Bosnien
: Krieg statt Frieden

Mit der Zerstörung der wunderschönen Stadt Mostar schienen buchstäblich alle Brücken zwischen Kroaten und Muslimanen in Bosnien abgebrochen. Um so erstaunlicher ist die Wende, die seit März 1994 in Washington begonnen hat. Die jetzt erneuerte Koalition nach einem „völlig unnötigen Krieg“ (kroatische Opposition) lediglich als „von außen erzwungen“ hinzustellen, wäre jedoch zu kurz gegriffen.

Zwar haben US-amerikanische und auch deutsche Diplomatie mit „Zuckerbrot und Peitsche“ auf den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman eingewirkt. Doch auch in Kroatien selbst wie auch in der bosnisch-kroatischen Bevölkerung existierten starke Kräfte, die von Anbeginn an gegen den Krieg in Bosnien opponierten.

Alle haben sie vor den verhängnisvollen Folgen des Krieges gewarnt: die Oppositionsparteien in Kroatien, die Vertreter der zentral- und nordbosnischen Kroaten und sogar die der katholischen Kirche in beiden Ländern. Lediglich die Führung der Westherzegowina-Kroaten unter dem damaligen Präsidenten von „Herceg-Bosna“, Mate Boban, betrieb zusammen mit starken Kräften innerhalb der kroatischen Regierungspartei HDZ den Krieg im Kriege.

Am Beispiel dieses „Krieges im Kriege“ läßt sich trefflich beweisen, daß es sich in Bosnien-Herzegowina keineswegs um einen „Bürgerkrieg“ handelt. Der Krieg zwischen „Kroaten und Muslimen“ entsprang wie der Krieg Serbiens in Bosnien einer wohlkalkulierten politischen Strategie, die sich mit dem Treffen der serbischen und kroatischen Präsidenten, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman, im Frühjahr 1991 zu formen begann.

Denn nach allem, was bisher über diese geheime Zusammenkunft bekannt ist, wurde schon damals von beiden Seiten die zukünftige Teilung Bosniens und die Zerstörung der muslimischen Kultur besprochen. In das Bild paßt, daß Tudjman daraufhin den Extremisten Mate Boban unterstützte, dem es seinerseits gelang, sich als international anerkannten „Führer“ der bosnischen Kroaten aufzubauen.

Wenn dennoch zunächst, ab April 1992, nach dem serbischen Angriff in Bosnien, die Koalition zwischen Muslimanen und Kroaten hielt, so deshalb, weil die serbischen Freischärler damals ihren Vernichtungsfeldzug in Bosnien gegen Muslimanen und Kroaten gleichermaßen führten. Die kroatische und muslimische Bevölkerung kämpfte, zumindest in Nordostbosnien und in Sarajevo, Seite an Seite um ihr Überleben. Aber schon die Ermordung des Befehlshabers der Truppen der kroatischen „Partei des Rechts“, HOS, Blaz Kraljevic im September 1992 bei Mostar, war ein bedeutsames Zeichen für das künftige Schisma. Denn Kraljevic vertrat im Gegensatz zur Boban-treuen HVO die Strategie, mit den Muslimanen zusammen Bosnien zu verteidigen.

Der Rückzug der HVO-Truppen aus Bosanski Brod und der nordostbosnischen Region im Oktober 1992 ließ schon damals die Gerüchte aufkommen, Tudjman habe sich auf einen Kuhhandel mit Milošević eingelassen. Denn damit wurde der Posavina-Korridor, die Verbindung zwischen Belgrad und den serbisch besetzten Gebieten in Kroatien und Westbosnien (Knin und Banja Luka), für die serbische Seite gesichert. Im Gegenzug wurden die serbischen Angriffe auf Dubrovnik eingestellt. Im nachhinein haben sich diese Verdächte erhärtet.

Die Fakten sprechen für sich. Die ersten Kämpfe zwischen HVO und bosnischer Armee im strategisch wichtigen Prozor Ende Oktober 1992, der Angriff der HVO auf Gornji Vakuf im Januar 1993, die darum gingen, die strategisch bedeutsame Straße zwischen der Küste und Zentralbosnien zu sichern, mündeten schließlich am 15.4. 1993 im offenen Krieg. Das „blutige Wochenende“, das Massaker in Ahmici bei Vitez, demonstrierten, daß Mate Boban die Kontrolle über weite Teile Zentralbosniens anstrebte.

Boban und die HVO wollten mit Gewalt jene Gebiete in ihren „kroatischen Staat Herceg-Bosna“ eingliedern und von „Muslimanen säubern“, die nach dem Vance- Owen-Plan den „kroatischen Kantonen“ zugesprochen waren. Es ist sicher kein Zufall, daß Boban der erste war, der schon im Januar 1993 den Vance-Owen-Plan unterschrieb.

Noch fehlt der endgültige Beweis für den Verdacht, daß der Plan den proserbisch agierenden Kräften in den internationalen Gremien, vor allem der französischen und britischen Diplomatie dazu diente, den schwelenden Konflikt zwischen den Herzegowinern und der bosnischen Regierung in einen offenen Krieg münden zu lassen. Genützt aber hat der „Krieg im Kriege“ zweifellos der serbischen Seite und damit auch all jenen, die offen oder verdeckt die serbische Politik in Bosnien-Herzegowina unterstützten.

Daß Boban und viele andere mit einem schnellen Erfolg rechneten, hat er öffentlich bekundet. Doch obwohl er ab April 1993 begann, auch militärisch offen mit der serbischen Seite zusammenzuarbeiten; obwohl Boban und Karadžić mit der Waffe des Hungers den Widerstandswillen der Bevölkerung brechen wollten; obwohl sogar das Waffenembargo gegenüber der bosnischen Armee funktionierte, kam doch alles ganz anders: Trotz Hungers und Kälte leistete die bosnische Bevölkerung erbitterten Widerstand, trotz des Waffenembargos gelang es der bosnischen Armee nicht nur, die Demarkationslinien gegenüber den serbischen Truppen zu halten, sondern die HVO sogar militärisch zu schlagen.

An dem Widerstandswillen der Bevölkerung und der bosnischen Armee sind nicht nur Boban und damit Tudjman gescheitert, sondern auch jene Strategen und Politiker von außen, die in der Aufteilung Bosniens eine „Friedenslösung“ sehen und damit den serbischen und kroatischen Nationalisten in die Hände spielen. Wenn jetzt die kroatisch-bosnische Koalition neu aufgelegt wird, dann auch deshalb, weil es in der US- Administration immer noch Leute gibt, die am Credo von der Unverletzlichkeit der Grenzen festhalten.

Wahrscheinlich ist dies das Zuckerbrot, das Tudjman zur Kehrtwende bewog. Käme es nämlich zu einer international abgesegneten Veränderung von Grenzen in Bosnien-Herzegowina, wären auch die Grenzen Kroatiens verhandelbar und wären die von Serben besetzten kroatischen Gebiete in Kroatien wohl verloren. Die internationale Gemeinschaft garantierte die Rückgabe der verlorenen Gebiete nämlich bisher nur auf dem Papier. Die Landkarte der neuen Föderation in Bosnien jedenfalls rückt den ehemals in Absprache mit Milošević von Tudjman selbst aufgegebenen serbischen Korridor bei Brčko wieder ins Zentrum des Interesses.

Gelänge der HVO und der bosnischen Armee hier der Durchbruch, wäre der großserbische Traum vorerst ausgeträumt. Erst der erfolgreiche Waffengang dort ist Voraussetzung für eine tragfähige Friedenslösung – nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch für Kroatien selbst. Erich Rathfelder, Split