Wirres zwischen Woodstock und Wolga

■ Neue Filme von Kaurismäki: „Total Balalaika“, „Rocky VI“ und „Thru The Wire“

Die meisten Konzertfilme sind nur etwas für Fans. Doch Aki Kaurismäkis neuester Film Total Balalaika hebt sich davon ab, obwohl er alle Formalia des Konzertmitschnitts beherzigt. Wie auch in Kaurismäkis ältereren Filmen stehen die Leningrad Cowboys und das Pseudo-Russische im Mittelpunkt. Diesmal hat der finnische Regisseur das Konzert gefilmt, bei dem sich 1993 in Helsinki seine Spiken-Tollen-Musiker mit dem hundert-Mann-starken Alexandrov Chor der Roten Armee ein Stelldichein gaben.

Da wird populäres westliches und östliches Liedgut solange im Wechsel dargeboten oder miteinander gemischt, bis alle gemerkt haben, daß zwischen „Kalinka“ und „Those Were The Days My Friend“ kaum Unterschiede bestehen. Wunderschön gerät auch „Knockin' on heavens door“, denn der Chor und die Balalaika-Spieler geben dem Heuler erst die vollkommene Wehmut. Parallelen finden sich auch im Tanz: Während die Cowboys auf westliche Weise über die Bühne hopsen – das Bein rhythmisch hochgezupft – zeigt das Tanzensemble der Roten Armee im Prinzip dasselbe, nur mit einer anderen Körperhaltung.

Doch zwischen Schmunzeln und kleinem Gelächter über die Faxen der Cowboys schleichen sich mitunter merkwürdige Gedanken hoch. Wie müssen sich die Choristen der ehemaligen ruhmreichen Sowjet-Armee fühlen, wenn sie mit ihren überdimensionierten Militärkappen als Trash-Kulisse für die Jungs mit den ebenfalls überdimensionierten Haargebilden herhalten müssen?

Als ideologische Wiedergutmachung könnte hier Kaurismäkis Kurzfilm Rocky VI (von 1986) gelten. Der stumme schwarz-weiß-Streifen zeigt einen Boxkampf zwischen dem amerikanischen Hänfling Rocky und dem russischen Bären Igor. Letzterer gewinnt. So einfach ist das.

Noch schlichter und komischer wirkt Thru the wire von 1987, ebenfalls in schwarz-weiß gedreht: Kaurismäki spielt mit den Klischees der Gefangenen-Ausbruch-Filme. Diese zwei köstlichen Kurz-Streifen in bester Trash-Tradition werden als Vorfilme zum Konzert gezeigt. Greta Eck

Abaton, Fr-So und Mi, 23 Uhr.