Filmstadt ade...

■ Wirtschaftssenator: Minus 10 Millionen ist keine Kürzung

„Das Geschrei der vergangenen Tage ist völlig unverständlich“, befand gestern Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos) in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft. Die befaßte sich auf Antrag der GAL mit der geplanten Kürzung der Fördermittel für den Hamburger Filmfonds, der 1994/95 statt 14,8 insgesamt nur noch 4,8 Millionen Mark für Filmprojekte bekommt. „Hier wird nichts gekürzt“, behauptete dagegen Rittershaus; die Mittel für dieses Jahr seien gar nicht gestrichen, sondern bereits vergeben worden, ebenso 3,1 Millionen Mark der für den Haushalt 1995 vorgesehenen Gelder. Wie doll es dem Medienstandort Hamburg geht, versuchte er lieber anhand von Zahlen aus Verlagsgewerbe, Werbewirtschaft und Fernsehproduktion zu belegen.

Daß „Filmförderung der entscheidende Eckstein für die Medienwirtschaft ist“, wie Claus Kühn, der Vorsitzende des Filmfonds, angesichts der Kürzungspläne gestern sagte, ist Rittershaus bislang fremd. Das Filmfonds-Gremium war von der Hiobsbotschaft aus der Behörde überrascht worden und hatte sich gestern an die Öffentlichkeit gewandt. Aktuell liegen dem Filmfonds Anträge in Höhe von 37 Millionen Mark vor, nur zwei Millionen können nun vergeben werden, und das hat der Filmfonds zunächst akzeptiert. Damit ist beispielsweise aber die Finanzierung beantragter Projekte wie Dschinghis Khan von Hark Bohm oder Totes Rennen von Lars Becker gefährdet. Erneut hatte Kühn auch auf die Anstrengungen Nordrhein-Westfalens (60 Millionen Mark für Filmförderung), Bayerns (35 Millionen) und Berlins (30 bis 40 Millionen) hingewiesen. Dem gegenüber fehle in Hamburg eine filmpolitische Perspektive völlig. Dieses Defizit drücke sich letzthin auch „in den kaum zu durchschauenden haushaltstechnischen Überlegungen“ aus, sowie darin, daß die bisher erfolgreiche Filmfonds-Arbeit in den Entscheidungen des Senats keinerlei Rolle spiele. Diese Arbeit habe bisher gezeigt, „welche Synergie-Effekte mit einer wirtschaftlichen Filmförderung zu erreichen sind“.

„Spar-Chaos“ attestierte auch Jürgen Klimke (CDU) in der Bürgerschaftsdebatte dem Wirtschaftssenator. Martin Willich, Geschäftsführer von Studio-Hamburg und CDU-MdBü, sieht die Folgen des Radikalschnitts in ihrer psychologischen Dimension durchaus noch für bedrohlicher an als in ihrer wirtschaftlichen, denn „flüchtige Künstler“ gingen dorthin, wo das Klima stimme. Solche Verluste auszugleichen werde sehr viel teurer als die nun eingesparte Summe. Markus Wegner dokumentierte Rudimente seines Demokratieverständnisses: „Durch Debatten wie diese wird das Vertrauen zerstört.“

Einig zeigten sich die Parteienvertreter in der Forderung nach einer neuen Konzeption der Filmförderung - entweder durch die Abschaffung des dualen Systems (wirtschaftliche und kulturelle Förderung) oder durch effizientere Gestaltung des bislang gewachsenen dualen Systems. Willfried Mayer von der GAL sagte, man könne nicht erst etwas kaputtsparen, um es dann irgendwann mal neu zu organisieren. Er schlug vor, angesichts des Werbe-Effekts, den Hamburg mit jedem Film erntet, der hier gedreht wird, die städtische Image-Werbung zu schröpfen und das Geld sinnvoller in die Filmförderung zu investieren. Doch hinter allen Ansätzen neuer Konzeptionen scheint sich nichts als Sparwut zu verbergen. Der Senat hat noch nicht endgültig entschieden. Der Filmfonds bekräftigte seine Forderung: „Wir erwarten zumindest die Beibehaltung des bisherigen Jahresbudgets von 7,4 Millionen.“

Julia Kossmann