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SanssouciVorschlag

■ „Niemandsland Mitte“ – Installation in der Parochialkirche

Foto: Thomas Aurin

Die Wildnis lebte. Mitten in der Großstadt. Bekanntlich ist das jetzt vorbei. Die urbane Brache des Potsdamer Platzes wurde umgepflügt und plattgewalzt. In „Niemandsland Mitte“, einer von Heidi Rühlmann konzipierten Installation, aber ist der Keim des Untergangs des innerstädtischen botanischen Wildwuchsrefugiums in einer Handvoll Pflanzensamen aus dem Jahr 1992 aufgehoben. Die Samen wurden in eines von drei Erdbeeten gesät. So fanden sie und weitere schon erblühte Gräser und (Un-)Kräuter Kirchenasyl in der Parochialkirche, bevor sie auf den Dächern der Daimler-Benz-Architektur dann wieder angepflanzt werden.

Steigt man in die Glockenstube der Stadtkirche, findet man sich in einem architektonisch berückenden Raum wieder; rohe Ziegelwände und der offene hölzerne Dachstuhl der Kirchenkuppel erinnern an Hans Döllgasts berühmte Noteindeckung der Allerheiligenhofkirche in München. Drei Erdquadrate liegen am Boden. Das linke Beet zeigt westlichen, das rechte herbizidgebremsten östlichen Wildwuchs, herbeigebracht in simplen Plastiktüten, die in die Erde gebettet wurden. Das Beet in der Mitte ist derzeit noch kahl. Über den Erdquadraten sind an Eisenstangen Lautsprecher angebracht, die sich in Pendelbewegungen versetzen lassen und das Motiv des immer noch herabhängenden Glockenseils in der Raummitte aufgreifen. Getrennten Bässen, Mitten und Hochtönern entströmen die Geräusche, die Frank Fiedler am Potsdamer Platz einfing; anstatt eine langweilige Lärmkulisse zu sein, ertönen die Hup-, Brems- und Motorgeräusche auf wundersame Art als reine Musik. Vera von Wilcken stellte einen Videomonitor in eine zentrale Wandnische. Feierlich thront er dort und zeigt Filmbilder des vertikalen Blicks auf den Boden. Blattrosette reiht sich an Blattrosette: die Pflanzen des Potsdamer Platzes. Eine kleine Holztreppe höher steht ein weiterer Monitor, der das andere Ende der Vertikalen, den Himmel über Berlin, genauer über dem Potsdamer Platz, zeigt. Aus ihm fielen im deutschen Märchen des Jahres 1989 die Sterntaler nieder, die dem wilden Biotop den Garaus machten. Die Parochialkirche, auch sie noch – wie die ausgestellten Grasstücke – Dokument von Kriegs- und Nachfolgezerstörungen, blieb bislang vom Geldregen verschont und damit notdürftig reparierte Ruine. Asyl und Asylantengräser finden im geradezu verwunschenen Zustand abgerissener, hinfälliger Schönheit zusammen – ganz nahe dran, am Geist der Neunziger. Brigitte Werneburg

Bis 1.7., täglich 9–15.30 Uhr, Klosterstraße 67, Mitte.

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