Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Those were the days my friend, that happy never end... Aber die Days sind schon versunken im Ozean der Geschichte, und das Happy endete! Oft sinnen wir wehmütig bei einem Humpen Sorghum-Bier in jene Rauschtage zurück, da die ganze Welt auf uns schaute, sogar Sachsen und Bayern: Die „Mutter aller Wahlen“, live vom Kap. Jetzt bleibt viel Zeit und Einsamkeit im Korrespondentenkämmerlein. Die Faxe knistern, die Telefone schrillen nicht mehr. Depeschen aus Azania? Mandela ist Präsident, der Bürgerkrieg fällt aus. Bei euch da unten ist doch alles O.K., oder? Von wegen: Die Militaristen vom ANC und ihre Waffenbrüder in der weißen Wehrmacht schachern in soldatischer Zweieinigkeit gerade ihre ersten Waffenlieferungen in alle Welt aus. Schließlich muß man Devisen ins Land schaufeln, wenn der Aufschwung und die Umverteilung und der Wiederaufbau gelingen sollen. Aber in Europa guckt wieder kein Schwein – außer das eine oder andere in der Rüstungsbranche... Also betrachten wir nostalgisch und still die Devotionalien und Trophäen, die wir in den wilden Tagen gesammelt haben und die wir dereinst unseren Enkelkindern wie kostbare Reliquien vorführen werden: Schau, Franzi, Opa war dabei, damals, als der Kolonialismus in Afrika seinen Geist aufgab. Zeugen des Jahrhunderts: das bunte Tischfähnlein mit den Farben des neuen Südafrika, die Mandela-Tasse, die ANC-Manschettenknöpfe nebst zugehöriger Krawatte, der ANC-Riesenregenschirm, der ellenlange Wahlzettel. Aber nicht anlangen, Franzi! Wertvoll! Kostbar! Unersetzlich!

Die Halsabschneider namens Antiquitätenhändler haben das schon begriffen, nachdem die erste Wahlurne versiegelt worden war. Neulich in der Pleinstraat, gleich neben dem Kapstädter Parlament, sahen wir in einer Auslage Mandelas Konterfei. Mit goldpunziertem Rahmen hinter entspiegeltem Glas war es schon für schlappe 700 Rand (350 Märker) zu haben: Eines von Millionen Wahlkampfplakaten. Nee, Dagobert Trödler, nicht mit uns. Wir holen uns selber eines, ein kostenloses und authentisches, das in den Straßen die Aura der Geschichte aufgesogen hat. Aber wo sind sie denn? Gestern hingen noch alle Bäume, Pfähle, Peitschenlampen, Strommasten, Verteilerkästen voll. Heute ist alles leer. Die Ursache des Verschwindens erfahren wir, als ein Kleinlaster vorbeizockelt – er ist vollbeladen mit Plakaten. Was macht ihr mit dem Zeugs? fragen wir den Fahrer. In Alex verscherbeln. Es ist Winter, Mann. Sagt er und fährt Richtung Township. In den sqatter camps werden die auf Pappkartons geklebten Plakate als Dämmaterial verwendet: An den Innenwänden der Blechhütten schützen sie vor der klirrenden Kälte. Frost in Afrika – unvorstellbar. Schön wär's. Hier in Joburg stürzen winternächtens die Temperaturen auf bis zu Minus 10 Celsius ab. Die Papposter tun also ein dreifach gutes Werk. Sie helfen bei der Existenzgründung von Kleinunternehmen. Sie wärmen. Und sie verschönern die Hütte. So sinnvoll läßt sich Wahlkampfmüll verwenden. Müll? Von unserer Küchenwand, wo früher die Hamburger Speicherstadt hing, lächelt jetzt Madiba herunter. Wir konnten noch ein Plakat ergattern – für Enkelkinders und die Ewigkeit. Aber nur anschauen, Franzi, ned anlangen, gell!