Im Sex verknotet

■ „Francis Bacon“: Tanz von Ivo und Kresnik

Geschundene, in Ringkämpfen und Sex verknotete, zerfliessende, nackte Körper, trotz offener Türen wie gefangen in Betten und Arenen: Dieser vielleicht wichtigste Bereich der gewaltigen Bilderwelt des vor zwei Jahren gestorbenen Francis Bacon inspirierte Johann Kresnik und Ismael Ivo zu einer spröden Tanztheater-Hommage an einen der wichtigsten Maler unseres Jahrhunderts. Bacons exzessives Leben war bestimmt durch Selbsthaß und das Bewußtsein der Todesnähe.

„Ich wundere mich immer, wenn ich am Morgen aufwache.“ Diesen Morgen wacht Ivo auf, als gebäre er ein Kind: Unter braunen Tüchern hört man asthmatisches Stöhnen und sieht ein fast spastisches Aufbäumen der Beine.

Als wollte sich Ausstatterin Penelope Wehrli der Gefahr einer Ästhetik entziehen, baute sie auf der Kampnagelbühne einen sterilen, zur Rampe offenen, dreieckigen Aluminiumkäfig mit violetten Neonröhren und rotem Boden.

1962 malte Bacon sein erstes Triptychon, dessen Dreizahl sich auch in den Tänzern wiederfindet: Mara Borba, wie Ivo aus São Paulo, und der Finne Tero Saarinen dienen als alter Egos – so in „Me, myself and I“ – oder als Liebesobjekte, an denen sich die Sexualtriebe abarbeiten können. Denn der Geburt folgt ein ständiger Kampf mit sich, den Anderen und dem Objekt: Zu harten, elektronischen Percussions, scharfdissonanten Streichern oder Gesängen, die an Liturgien erinnern, begegnen sich die Tänzer in muskelbetonten, animalischen Gewalt- oder Sexbewegungen.

Die schonungslosen Erkundungen von Eigen-, Fremd- und Raumkörper, das ständige Gegeneinander, Kopf gegen die Wand, zeichnen sich mehr aus durch kraftvolle, Muskel-spannende Körperartistik als durch temporeiche Bewegung. Die drei Tänzer und ihr Regiesseur Kresnik berühren mit ihren Posen immer wieder die Bildsprache Bacons. Besonders dann, wenn Mara Bora mit eingeschnürten Beinen als Torso über die Bühne robbt, aber auch, wenn Ivo mit Fleisch und Exkremen-ten arbeitet oder an den Füßen gebunden kopfüber in einer der Öffnungenbaumelt. Am Ende wieder allein, zelebriert Ivo durch Über-stülpungen einer Papst-mütze den Erstickungstod.

Dies bildet den Abschluß eines fordernden Abends, der durch seine den Tanz oft überschreitende Körperlichkeit so manchen Zuschauer zum vorzeitigen Verlassen der überfüllten Kampnagel-Halle brachte. Niels Grevsen

Kampnagel, bis Samstag, 20 Uhr