Wüna im blauen Salon

■ Im World Trade Center pellten Bremer Pfeffersäcke Kartoffeln für Blaue Karawane

Hundertund Verrückte, einige Pfeffersäcke und ein blaues Kamel: Am Mittwoch traf man sich im Foyer des World Trade Center, um unter den gütigen Augen eines blauen Riesenplüschkamels Pellkartoffeln und Quark zu speisen. Auch die Tischdecken waren blau. Sogar die Moosröschen der Tischdekoration tranken blaues Wasser. Es gab Bier, Musik und Spiel, und mehreren Reden entnahm man, daß das Kamel Geld braucht. Wozu ein blaues Kamel Geld braucht, wurde den geladenen Gästen aus Wirtschaft und Politik nicht so recht erklärt. Und so kam es, daß der eventuell umsatzstärkste Unternehmer des Abends, Otto Schwimmbeck (OAS), im Nachhinein resigniert die Schultern hob, weil er nur eins richtig verstanden hatte: daß er wieder mal spenden soll.

Meine Damen und Herren! Es geht um die Blaue Karawane. Hundert gute Menschen, Verrückte und Normale, Arbeitslose und Planstelleninhaber, Aus- und Inländer, Künstler und Ernsthafte wollen im August hinter dem Blauen Kamel herziehen von Leipzig nach Bremen, und es soll eine Demonstration für mehr Toleranz und die Aufweichung jedweder Grenzen sein. Denn sehet: Das Glück liegt immer jenseits der Grenzen.

Doch wo Hundert drei Wochen lang leben, lachen, essen, trinken und diskutieren wollen, wo ein Riesenschwimmkamel gebaut wird, wo Zelte und utopische Karawansereinen errichtet werden sollen, da muß Geld her. Und also war dieser Pellkartoffel-Abend ein Sponoring-Event: Die Macher aus dem weiteren Umfeld der Bremer Psychiatriereform sollten Kontakt zum Bremer Geld finden.

Neben Aktivisten und Sympathisanten waren sie tatsächlich gekommen: der Spediteur vom Güterverkehrszentrum; der Werbeagent; der „Vulkan“-Manager; der bedeutende Architekt; der Reisekaufmann; der oberste Bremer Heilpraktiker; der Chef des österreichischen Außenhandelsbüros; ein Bremer Recycling-Tycoon. Ach und da war ja auch ein Hauch von Staat: Ex-Häfensenator Konrad Kunick. Und da! Die erste finanzielle Transaktion: Kunick schob 50 Mark über den Tisch!

Doch ansonsten wird die „Blaue Karawane“ bisher nur vom Glauben getragen: Nicht einmal die Rechnung für das Kamel ist bezahlt, das auf der AUCOOP-Werft gebaut wurde. Die notorischen Bremer Großsponsoren aus der Bier- und Kaffeebranche halten sich zurück. Doch halt! Das Bier des Abend war schließlich eine Spende aus dem Hause Haake-Beck, der Quark von Bremerland, und die Kartoffeln kamen von der Arbeiterwohlfahrt! Ein Anfang.

Einzig die ideelle Unterstützung stimmt. Der stadtbekannte Lehrer Armin Stolle (Gesamtschule Mitte) rödelt für die Karawane; die Shakespeare Company setzt sich ein; Ottersberger KunststudentInnen mischen mit; eine ganze Reihe privater Sponsoren unterstützt das Kamel mit der Zeichnung von „Anteilsscheinen“. Auch in Leipzig laufen sich multikulturelle Unterstützergruppen schon warm. Wer aber letztlich mitziehen wird, zu Lande und zu Wasser (über Elbe und Weser) dem Leitkamel hinterdrein, das entscheiden nicht zuletzt die Reisekosten: immerhin 1500 Mark „Vollpension“ (für Bedürftige knapp die Hälfte).

Der Motor der Karawane, der Bremer Nervenarzt Klaus Pramann, war schließlich zufrieden mit dem Abend: „Wüna (so der Taufname des Kamels) ist salonfähig geworden. Jetzt wollen wir sehen, was wir vom Salon haben.“ Am Ende wird er ein Buch übers Sponsorentum schreiben können. Vorerst unterlaufen allerdings noch Anfängerfehler: Ein leibhaftiger Richter war beim Kartoffelpellen gesichtet worden, und man hatte vergessen, ihn aufs Bußgeld anzusprechen - damit verurteilte Fremdenfeinde ihre Strafe künftig an das Blaue Kamel zahlen. Aber am Freitag: da geht's hin zu Willi Lemke!

Burkhard Straßmann