Buffalo-Burger und Azteken-Shake

■ Wie man aus dem Überseemuseum ein flottes Freizeitzentrum machen könnte und wer was dagegen hat

Wer zur Zeit in der Kulturbehörde anruft und das Stichwort „Neues Konzept Überseemuseum“ fallen läßt, dem springt Staatsrat Opper ins Gesicht: „Alles nicht relevant“, sagt er eiskalt. Erst gar nicht zu sprechen ist Museumsleiterin Viola König, sie läßt ihre Mitarbeiterin vom Zettel ablesen: "Es gibt nichts Spektakuläres“. Von wegen! Es geht um Geld, viel Geld, bestimmt 60 Millionen. Geld für eine Goldkammer, vielleicht für ein riesiges Aquarium mitten im Museum. Geld aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm, aus jenem Topf also, aus dem sonst nur Autobahnen und Hafenbecken bezahlt werden. Nun also vielleicht auch das Übersee-Museum, jenes Museum, das seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten die Kulturbehörde um Sanierungsgelder anbettelt.

Doch zuerst muß man dem Finanzsenator beweisen, daß ein mit viel Geld aufgemotztes Museum selbst wieder Geld heckt. Kein Problem, sagt die Museumscrew: Wenn sich die derzeitige Verweildauer der BesucherInnen von 90 Minuten verdoppelt auf 180 Minuten, und dann auch bald noch eine „Musicon“-Konzerthalle und ein Musicaltheater in die Stadt locken, dann müssen die Leute übernachten, sonst schaffen sie Böttcherstraße und Hafenrundfahrt nicht mehr. Und Übernachtungsgäste lassen nun mal im Schnitt 300 Mark in der Stadt, Tagesgäste nur 75 Mark.

Nun haben Wirtschafts- und Kulturressort ein Hamburger Büro beauftragt, darüber nachzudenken, wie man das Überseemuseum attraktiver machen könnte. Im Juli soll das Gutachten der Deputation vorgelegt werden. Im Vorfeld hat das Gutachterbüro schon mal die sprudelnden Ideen der MuseumsmitarbeiterInnen abgeschöpft. Da ist einiges zusammengekommen: An erster Stelle steht eine „gläserne Schau- und StudienSammlung“, also ein allen zugänglicher Magazin-Neubau.

In dem kann richtig geforscht, aber auch gestöbert und entdeckt werden; das alte „Grabbelmuseum“ lebt wieder auf. Konkret: Sämtliche Sammelstücke könnte man sich über EDV als Bild auf ein Terminal holen. Derzeit stauben 95 Prozent des Museumsbesitzes im geschlossenen Magazin vor sich hin. Ein Drama, denn die Mischung aus Natur-, Völker- und Handelskunde im Bremer Übersee-Museum ist einmalig in Deutschland.

Zweiter Hit: ein neues Aquarium, möglicherweise von einem kommerziellen Betreiber gepachtet, mit Fischen aus Übersee – um dem Bremerhavener Zoo keine Konkurrenz zu machen. Das frühere Aquarium maß 650 Quadratmeter, so groß und größer sind aber auch die vier anderen norddeutschen Aquarien in Münster, Hannover, Hagenbeck und Wilhelmshaven. Das Bremer Aquarium sollte also, so die Planung, schon an die 2.000 Quadratmeter messen.

Munterkeit ins Museum einkehren soll aber vor allem durch Shops mit Originalprodukten aus Übersee, durch ein öffentlich dauerprobendes Gamelan-Orchester sowie durch mehr Gastronomie. Denkbar wären eine „Masseneinrichtung“ für die SchülerInnen, RucksacktouristInnen und Familien mit preiswerten und speziellen Angeboten wie „Buffaloburger und Aztekenshake“. Außerdem fänden die MuseumsmacherInnen ein Restaurant für gehobene Ansprüche schick – mit Übersee-Exponaten zwischen den Tischen.

Ausbauen möchte man gerne den Kindergeburtstags-Service (zwei Stunden Suchspiel), um zum Beispiel an verregneten Tagen mehr Nordsee-UrlauberInnen mit ihren quengelnden Kindern nach Bremen zu holen. Mit der jetzigen MitarbeiterInnenzahl bewältigt man aber gerade mal einen Geburtstag pro Tag. Wie gesagt, dies sind alles Vorschläge des Museums selbst, sie werden aber wohl in das Gutachten einfließen.

Und schon gegen diese Vorschläge regt sich Widerstand: manche Grünen befürchten, daß diese Art von Erlebnis-Museum in Richtung Disney geht, daß dabei die kritische Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit des Museums auf der Strecke bleibt. „Dann tafeln wir in gepflegtem Ambiente, und unsere Urgroßväter haben's geklaut“ – sowas findet etwa der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Wolfram Sailer eine ziemlich ungute Mischung.

Schon jetzt habe das Übersee-Museum seinen fortschrittlichen und aufklärerischen Charakter verloren, sagen zwei kürzlich aus dem Freundeskreis des Museums Ausgetretene. Sie sehen die angestrebte Popularisierung als Fortsetzung der Entpolitisierung unter Museumschefin Viola König. Unter dem vormaligen Museumschef Ganslmayr habe es dagegen noch Ausstellungen über ökologische Kriegsfolgen am Beispiel Vietnams oder die Alltagskultur der KurdInnen gegeben. Dagegen unter König: nichts zum Thema UN-Umweltkonferenz in Rio, nichts zum Krieg in Europa.

Die Dinosaurier-Ausstellung habe einen ersten Hauch von Disneyland verbreitet und der nachfolgenden Entenausstellung den Weg bereitet, sagen die KritikerInnen. So legitim solche Besucherinteressen, ein Gesamtkonzept des Museums sei mittlerweile nicht mehr erkennbar, das Profil verwische. Ganz zu schweigen von dem Widerspruch, einerseits immer mehr Leute ins Museum locken zu wollen, andererseits die pädagogische Abteilung zu halbieren: zwei vom Bildungsressort „ausgeliehene“ Kolleginnen sollen im Sommer zurückgegeben werden.

Das Museum hält in einem internen Papier dagegen, daß sich in Bremen seit etwa 1980 das Publikum halbiert habe, das man direkt mit Ausstellungen über die Dritte-Welt-Problematik ansprechen könne. Deshalb wolle man lieber in allgemeinere Dauerausstellungen die entwicklungspolitischen Aspekte als Nischen einbauen – bei der Indien-Ausstellung sei das ganz gut gelungen. Nicht zuletzt habe sich die Sichtweise vertieft, so ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, den entwicklungspolitischen Ansatz gebe es nicht mehr: „Heute kann man nicht mehr einfach sagen: Jacobs mordet die Kaffeebauern.“

Christine Holch