Besuch in der Dorf-Disko endete mit Blutbad

■ Elf junge Männer aus Berlin wegen Landfriedensbruch vor Gericht / Sie sollen in Storkow eine Massenschlägerei initiiert haben / Der Wirt schoß mit Pistole zurück

Ein lustiges Wochenende im Umland verbringen und „ein paar Mädels ankieken“ – mehr wollten die zwanzig jungen Männer aus Berlin angeblich nicht, als sie an einem schönen Sommertag im vergangenen Jahr nach Storkow gefahren waren. Doch der Ausflug in die Dorf-Disko endete mit einer Massenschlägerei und einem Blutbad. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft prügelten die Berliner mit Biergläsern, Stühlen, Sonnenschirmen und Eisenstangen auf die Storkower ein, bis der Wirt des Lokals mit seiner Pistole den Kampf beendete: Sechs Berliner blieben auf dem Marktplatz liegen, einige wurden von mehreren Pistolenkugeln getroffen. Zwei von ihnen haben möglicherweise eine Gehbehinderung davongetragen.

Gestern begann vor einer Jugendstrafkammer der Prozeß gegen elf junge Männer zwischen 17 und 23 Jahren, die auf zwei langen Bänken nebeneinander aufgereiht saßen. Die aus Marzahn, Lichtenberg und Friedrichshain kommenden Jugendlichen hatten am 2. Juli 1993 zu der Berliner Gruppe in Storkow gehört. Sie sind nun wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung und der Verwendung von Nazi-Symbolen angeklagt.

Bevor es zu der Massenschlägerei kam, sollen vier von ihnen bei der Anreise auf Autobahnraststätten und in Dorfgaststätten für jedermann sichtbar den Hitler-Gruß entboten haben. Bei der Schlägerei vor der Diskothek soll einer der Angeklagten den Ortsbewohnern gedroht haben: „Ihr werdet alle sterben! Storkow brennt noch.“ Für die Staatsanwaltschaft steht fest, daß die Hälfte der Angeklagten Hooligans des FC Berlin sind. Einige sollen schon mehrfach bei gewalttätigen Aktionen in den alten Bundesländern festgenommen worden sein. Nach dem Vorfall in Storkow saßen fast alle einige Wochen in Untersuchungshaft, bis sie gegen Hinterlegung einer Kaution freigekommen waren.

So wie sie gestern vor dem Richtertisch hockten, unterschieden sich die jungen Männer in nichts von Tausenden anderer Jugendlicher. T-Shirt, Jeans, Turnschuhe, modischer Kurzhaarschnitt, auf dem Hinterkopf etwas länger, der Nacken sauber ausrasiert, ein Ohrring. Die meisten haben eine Lehre als Fleischer, KFZ-Schlosser oder Maler absolviert oder sind noch dabei. Ein Drittel ist arbeitslos. Die Verlesung der Anklageschrift kommentierten sie mit einem leichten Kopfschütteln oder Grinsen. Als sie dann nacheinander zu den Vorwürfen aussagten, bestritten sie einvernehmlich, die Schlägerei in Storkow begonnen zu haben. Die Auseindersetzung sei von „einheimischen Rechtsradikalen“ provoziert worden, erzählte einer der Angeklagten. Zu den Tumulten sei es erst gekommen, als die ersten Schüsse gefallen seien. Obwohl sie sofort zu ihren Autos geflohen seien, habe der Wirt weiter auf sie geschossen. Einer gab an, nach einer Feuerpause von einer zweiten Kugel getroffen worden zu sein, als er bereits verwundet am Boden gelegen habe.

Sie seien keine Hooligans und politisch „völlig neutral“, versicherte ein 19jähriger Angeklagter. Auf Nachfrage des Richters bestätigte ein 17jähriger, daß einige aus der Gruppe ein paar Wochen zuvor schon einmal in Storkow gewesen waren, und daß es dort Streit gab: „Es ging um ein paar weibliche Personen.“ Die Gruppe sei aber keineswegs, wie vom Staatsanwalt angenommen, erneut dort hingefahren, um Rache zu nehmen. Sie hätten vielmehr in einer nahegelegenen Feriensiedlung angeln und „einfach ein ruhiges Wochenende verleben“ wollen.

Der Wirt, angeblich ein Waffennarr, wird an einem der kommenden Verhandlungstage vernommen. Bei einer früheren Vernehmung soll ein Zeuge gesagt haben, einige der Berliner seien vor dem Wirt herumgehopst, um ihn zum Schießen zu bewegen. Plutonia Plarre