Zwischen den Rillen
: Erholt von der Lawine

■ Spucken immer noch Budweiser: Die Beastie Boys mit „Ill Communication“

Drei weiße, jüdische Bengel an der Spitze der Charts – und alles nur ein Mißverständnis. Als unsere Helden aus New York City 1984 in die Hände des für knochentrockene Arrangements berühmten Produzenten Rick Rubin fielen, nach diversen Maxis endlich „Licensed to Ill“ aufnahmen und mit der Hymne „Fight for Your Right to Party“ das MTV-Format für HipHop knackten, sah alles noch ganz übersichtlich aus. Ein weißer Produzent auf der Grenze zwischen HipHop und Metal (auf seinem Label „DefJam“ veröffentlichte Rubin die Sugerhill Gang ebenso wie Danzig) denkt sich das Rezept für Ruhm und Reichtum aus: Wir brauchen weiße Jungs, die HipHop mit Metal verquicken.

Und, was soll ich sagen: Es funktionierte – auch wenn sich erste Irritationen ergaben, als die zu Chartbreakern erkorenen Beastie Boys auf den Bühnen dieser Welt vor allem durch das hemmungslose und imagemäßig völlig unerklärliche Herumspritzen mit Budweiser Beer glänzten.

Das One-Hit-Wonder verschwand dann aber wieder so schnell, wie es aufgetaucht war – es hatte seine Schuldigkeit getan. Und urplötzlich, fünf Jahre später, war dann alles gar nicht so gewesen. Mit dem Nachfolger „Paul's Boutique“ erfuhr die staunende Öffentlichkeit (oder besser der kümmerliche Rest davon, der sich immer noch für die drei interessierte) im Jahre 89, daß die Beastie Boys niemals nicht etwas mit Metal am Mützchen gehabt hatten; statt dessen ursprünglich vom Hardcore kamen; mithin die ersten waren, die versucht hatten, die Vorzüge des weißen mit denen des schwarzen Underground zu verbinden (dokumentiert auf der kürzlich erschienenen „Some Old Bullshit“-CD, die Prä-Licensed-Material versammelt).

Wer wollte (aber wer war das schon?), hätte das natürlich auch schon vorher wissen können, für den Rest war es, gelinde gesagt, ein Schock. Und während die Lawine, die sie zusammen mit beispielsweise Run DMC losgetreten hatten, eh nicht mehr aufzuhalten war, arbeiteten die Beastie Boys weiter an ihrem Crossover, setzten sich drei Jahre später für „Check Your Head“ sogar wieder hinter richtig echte Instrumente und zogen sich vom Superstarniveau in mittelgroße Hallen zurück: ein ungleich bequemeres Plätzchen im Underground.

„Check Your Head“ wurde kein Verkaufsknaller, kein sicherer Fetenstoff wie „Licensed to Ill“, legte aber fest, was die Beastie Boys eigentlich immer sein wollten: ein Hardcore-Trio, das auf einem ziemlich ausgefeilten Level den HipHop für sich entdeckt, reklamiert und forciert. Und so ganz nebenbei schafften sie damit einen überzeugenden Spagat im Publikum. In den Konzerten fanden sich B-Boys neben Flanellhemden neben Nietenjacken.

„Ill Communication“ nun ist nicht – wie der Name vielleicht vermuten ließe – ein Rückgriff auf die Zeiten von „Licensed to Ill“, sondern treibt den Ansatz von „Check Your Head“ mit identischem Produzenten- und Unterstützerteam in den kleinen, feinen Details weiter. Da finden sich tanzbodentaugliche Groover wie der Opener „Sure Shot“ (als Single ausgekoppelt), die hauptsächlich von den schleppenden, verwischten Beats und den wohlbekannten treibenden Trio-Raps leben. Schon das nächste Stück, „Tough Guy“, ist ein nicht mal einminütiger Punk-Klopper, der auch auf einer Lazy-Cowgirls- Platte kaum auffallen würde. Dann gibt es „Sabotage“, ein sattes Stück Metal, das aber bei weitem nicht so klar strukturiert ist wie das Frühwerk, sondern birst und splittert vor Scratchs und hüpfenden Beats.

Weiter sind da Instrumentals wie „Ricky's Theme“, die ganz jazzlike dahindödeln, sehr entspannt, eine warme Coolness ausströmend. Oder „Futterman's Rule“, noch ein Instrumental, das – man möge verzeihen – mich an Santana erinnert.

Schließlich und vor allem ist da „Get It Together“, ein relaxed groovendes Stück New School, das allein schon dadurch aus dem Rahmen fällt, daß die Raps teilweise von den Gaststars Q-Tip (von A Tribe Called Quest) und Biz Markie bestritten werden. Deren Eleganz hebt sich weniger entlarvend als vielmehr klärend, woher und wie lange die Beastie Boys schon sind, von den grob spuckenden Reimstilen von Ad Rock, Mike D und MCA ab.

Auf Beastie-Boys-Platten tat sich schon immer einiges, diesmal noch einmal entschieden mehr. „Ill Communication“ strebt auseinander und ist doch eine Einheit, wie wirklich gute Platten das so an sich haben. So durchdacht, daß es nur direkt aus dem Bauch kommen kann. Oder wer kann schon bei Sinnen sein und einem Beastie Boy nahelegen, Flöten und elektrische Orgeln aus alten Jazz-Standards zu samplen? Das hört sich doch wirklich krank an, oder? Richtig gut nämlich.

In „Get It Together“ findet sich dann eine Zeile, die das Geheimrezept beschreibt: „Got to get it together and see what's happening.“ Wem das weiterhilft, soll sich freuen, für den Rest gilt eine andere Zeile aus demselben Stück: „Listen to the shit because we kick it until dawn.“ Thomas Winkler

Beastie Boys: „Ill Communication“, Capitol/EMI