UNO bestätigt „Ethnische Säuberungen“

■ Bericht zu „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Ex- Jugoslawien

Genf (taz) – In den Kriegen in Kroatien und Bosnien haben alle Seiten, ganz überwiegend aber die Serben „zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen. Zu diesem Schluß kommt die fünfköpfige UNO-Völkerrechtskommission in Genf, die seit November 1992 im Auftrag des Sicherheitsrates Material über „ethnische Säuberungen“, (Massen-)Vergewaltigungen und andere Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien gesammelt hatte, in ihrem Abschlußbericht. Eine gerichtliche Untersuchung dieser Verbrechen vor dem im November 93 eingerichteten internationalen Tribunal in Den Haag werde „wahrscheinlich auch den Vorwurf des Völkermordes bestätigen“, heißt es in dem noch unveröffentlichten Bericht, der der taz vorliegt. Nach Informationen der taz aus Den Haag ist es allerdings weiterhin höchst ungewiß, ob jemals ein Täter oder Befehlsgeber dieser Verbrechen vor dem Tribunal erscheinen werde und dort überführt werden könne.

Wegen sehr beschränkter finanzieller und personeller Ressourcen, mangelnder Kooperation zahlreicher Regierungen – darunter der deutschen – sowie Behinderungen vor allem durch die serbische Kriegspartei bei Untersuchungen vor Ort konnte die Kommission in ihrer 18monatigen Arbeit längst nicht allen vermuteten und behaupteten Kriegsverbrechen nachgehen.

Im einst zu 44 Prozent von Muslimen und zu 42,5 Prozent von Serben bewohnten nordwestbosnischen Bezirk Prijedor stellte die Kommission die „Vertreibung oder Ermordung von 52.000 Menschen – knapp der Hälfte der Bevölkerung – durch bosnische Serben zwischen April 1992 und Juni 1993“ fest. Mehr als 6.000 Menschen seien in Lagern inhaftiert worden, wo Morde, Folter, Vergewaltigungen und andere Verbrechen an der Tagesordnung gewesen seien. Ähnliche Verbrechen wie in Prijedor seien in zahlreichen Bezirken Bosniens, darunter in Banja Luka, Brčko, Foca und Zvornik vorgekommen. Die Untersuchung der „ethnischen Säuberungen“ habe „Absicht, Systematik und eine gewisse Planung und Koordinierung durch höhere Stellen“ enthüllt.

Die Kommission, die über 800 Vergewaltigungsopfer befragte, geht davon aus, daß die seit Herbst 92 von verschiedenen Seiten genannte Zahl von insgesamt rund 20.000 Vergewaltigungen – zumeist begangen von serbischen Männern an muslimischen Frauen – in Bosnien „nicht übertrieben ist“.

In 81 der 187 untersuchten Massengräber in Bosnien und Kroatien fand die Kommission „zwischen dreitausend und fünftausend mutmaßliche Opfer der Serben“.

In der umfangreichen Datensammlung der Kommission sind die Namen „Hunderter“ Täter enthalten, die zumeist von mehreren Opfern und Zeugen identifiziert wurden. Die Daten wurden inzwischen dem Tribunal in Den Haag übergeben. Der Ankläger und die elf Richter haben jedoch entschieden, daß gegenüber der Kommission gemachte Aussagen als Beweise nicht ausreichen. Die Opfer und Zeugen müssen erneut ausfindig gemacht werden und persönlich ihre Aussagen wiederholen. Andreas Zumach Seite 10